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Fremdkörper

Fremdkörper

Titel: Fremdkörper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Pielhau
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Beispiel: Ich wurde von einem adretten Mädel Mitte 20 geschminkt für einen Auftritt auf einer Messe. Sie ist so selbstverständlich mit meiner Perücke umgegangen, dass ich scherzhaft bemerkt habe: »Du machst das ja gerade so, als hättest du Übung darin.« Schneller, als irgendjemand über meinen vermeintlichen Scherz schmunzeln kann, kommt ihre Antwort: »Hab ich auch. Ich hatte Lymphdrüsenkrebs. Und bin durch genau den Vollwaschgang, durch den du vermutlich gerade durchmusst.« Prompt entspinnt sich, wie unter deutschen Rucksacktouristen in einem fernen Land, sofort ein sehr vertrautes Gespräch. Eben noch von höflicher, gut anerzogener Distanz, fühlt man sich plötzlich verbunden. Irgendwo auf der Welt im Urlaub sind es die vielen unbekannten, manchmal befremdlichen Eindrücke, die einen Landsmann zum willkommenen Gruß aus der Heimat werden lassen. In meinem Fall ist es die eine Krankheit, die uns alle eint.
    Yvette macht ihren Job hervorragend. Auch wenn sich meine Gedanken seit ihrem Geständnis nicht mehr um Stirnölguss und Saunagang drehen. Sondern um: Warum so viele, warum so jung? Als wir uns verabschieden, muss ich sie in den Arm nehmen und feste drücken. Impuls. Sie lächelt. Zum Glück. Den Heiratsantrag verschiebe ich dennoch.

29. 
Lesen lernen: Bücher und mich (Woche 9)
    Lance Armstrong ist der Knaller. Dass irgendetwas in seinen Genen durch Fremd- oder Eigenmutation nicht mehr menschlich ist, vermute ich schon seit Langem. Wie sonst sollten sich qualvolle Bergetappen so elegant und geschmeidig bewältigen lassen. Nicht nur die Muskel-, sondern besonders seine Mentalkräfte sind beeindruckend. Ich weiß nicht, wie lange ich schon im Besitz des Buches bin, in dem er den eigenen Kampf gegen den Krebs beschreibt. Ich habe es nie zur Hand genommen. Bis jetzt. Macht jetzt natürlich auch am meisten Sinn für mich. Lance ist mir ein sehr guter Motivationstrainer. Seine Kapitel sind Unterrichtseinheiten in Demut dem Leben gegenüber und Paradebeispiele für Durchhaltevermögen, Willenskraft und Kampfgeist.
    Unnötig zu erwähnen, dass dieses Buch wie so viele andere zum Thema – nötige wie unnötige – auf der Infusionsstation die Runde macht. Die zwei wichtigsten Werke, die mir bei den Aufräumarbeiten nach der Katastrophe Krebs am meisten geholfen haben, habe ich von meinen Liebsten geschenkt bekommen. Ich will darüber kurz und auch nur auszugsweise berichten. Denn was mir gutes Karma macht, bereitet dem Nächsten vielleicht schlechte Laune. Bekanntlich und glücklicherweise gibt es für jeden Ratsuchenden einen weiteren, der ihn gerne gibt.
    Also, meine literarische Begleitmedikation: Das eine ist ein Werk, von dem ich bis dato noch nichts gehört hatte, anders als vermutlich der Rest der belesenen Welt. David Servan-Schreiber erläutert Die Neue Medizin der Emotionen. Darin vertritt der Autor die These, dass Zivilisationskrankheiten der Moderne wie Stress, Depression und Angst auch ohne Medikamente oder Psychotherapie heilbar sind. Solange wir nur an die Ursache herankommen, nämlich unsere – besonders tief verborgenen – Gefühle. Er zeigt auf, wie ich mein emotionales Hirn und gleichsam meine Selbstheilungskräfte aktiviere. Holldrijö, da werden Sie geholfen! Diese mich sehr ansprechende Theorie bekommt eine umso größere Bedeutung mit dem Wissen, dass der Buchautor selbst an einem Hirntumor (inklusive Rezidiv) erkrankt war. Und sich heute immer noch bester Gesundheit erfreut. Ich mag die Vorstellung, dass das Geheimnis zum Erfolg wie so oft ein ganz einfaches ist: »Sei glücklich und du bleibst gesund.« Mir hilft es.
    Genauso übrigens wie die Tipps zur Visualisierung der körpereigenen Abwehrzellen im Kampf gegen das Unerwünschte bis hin zur eigenen Genesung. Die Übung stammt aus einem Buch, das beinahe so etwas ist wie ein Klassiker der Fachliteratur. Der Krebsspezialist O. Carl Simonton und seine Koautoren wollen, dass Patienten Wieder gesund werden. Dabei greifen sie auf viele Jahrzehnte Erfahrung mit Krebskranken zurück. Sie legen Möglichkeiten dar, wie der Patient die ärztliche Behandlung durch Eigeninitiative unterstützen kann. Was auch Dr. Nane Christiansen, meine Chemotherapie-Ärztin, unterschreiben würde, weil sie gleich zu Beginn zu mir sagte: »Wir können nicht alles machen. Die Patientin muss mithelfen.« Ganz unabhängig davon, ob man mit der Methode etwas anfangen kann oder nicht: Es gab eine Stelle im Buch zur Ursachenforschung, die mich überrascht

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