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Fremdkörper

Fremdkörper

Titel: Fremdkörper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Pielhau
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löst sich aus meinem noch etwas umnebelten Geist. Ich bemühe das Internet und recherchiere, was ich zum Verwirklichen selbiger brauche. Einige Minuten und ein paar Klicks später bin ich schon am Ziel. Beziehungsweise den Startbedingungen. Ich stürme Thoms Arbeitszimmer. »Thom ... ich ... laufe ... einen ... Halbmarathon.« – »Was willst du?« Entsetzte Pause. »Wann?« – »In sechs Wochen gibt es einen. In Braunschweig. Das schaffe ich. Bis dahin bin ich fit für diese Strecke.« Dem irritierten Gesicht folgt ein freundliches: »Hauptsache, du überanstrengst dich nicht. Sonst belastest du dein Immunsystem zu sehr.« Ich werde ungeduldig. Immer diese Bedenkenträger. »Weiß ich doch. Ich will ja auch nicht schnell sein. Ich laufe langsam. Gaaanz laaangsam. Ziel ist, im Ziel sein. Irgendwann.« Wir schlagen ein und besiegeln meinen Plan.
    Abends kehrt Thom vom Einkaufen zurück und überreicht mir eine kleine, hübsch verpackte Kiste. Darin finde ich eine Messeinheit für meinen Laufschuh in Clipform und ein dazugehörendes Armband mit Display und Digitalanzeige. Gemessen wird die Geschwindigkeit, die Zeit und die Streckenlänge. »Damit du immer genau weißt, wie viele von den vielen, vielen Kilometern du schon geschafft hast.« Braunschweig, ich komme!

39. 
Eivissa (Woche 19)
    Ibiza, ich komme! Heißt es jetzt erst einmal. In der Woche nach meiner finalen Befüllung fliege ich für einige Tage nach Ibi, wie meine Freundin Jule die Insel nennt. Der Flug war billig. Und ich habe gerade ein bisschen frei. Warum also nicht den bleichen Leib einigen wohltuenden UV-Strahlen aussetzen? Ich finde keine überzeugungsfähigen Gegenargumente. Also: Reisefieber. Als ich ankomme, ist Jule schon da. Und sie hat alles im Griff: den Kellner, das Buch in der Hand und die Freizeitplanung. Ich bin mit ihrem Programm äußerst einverstanden. Wir machen heute nämlich: nichts. Und morgen – auch nicht. Und übermorgen werden wir an dieser Routine definitiv nichts ändern. Vor uns liegen also ein paar extrem faule Tage am Strand und am Wochenende wieder eine Hochzeit von Freunden. Hier auf dem Eivissa-Party-Eiland. Zu diesem Ereignis wird Thom dann auch eintrudeln.
    Unsere Ich-bewege-mich-so-wenig-wie-möglich-Strategie vorher stresst ihn zu sehr. Im Urlaub latent hyperaktiv veranlagt, würde stundenlanges auf Liegen liegen, bruzzeln, drehen und wenden sein Gemüt gar kochen – und in diesem Aggregatzustand ist mit ihm nicht gut Kirschen oder sonst etwas essen. Also lässt er großmütig, -herzig- und -zügig den Mädels den Vortritt. Keine 45 Minuten nach der Landung drücke also auch ich mit meinem Po Beulen in die Schaumstoffauflage. Jule und ich tauschen im Telegrammstil alle wesentlichen Neuigkeiten aus, um uns dann der eigentlich wichtigen Disziplin zu widmen: hitzeerfüllt stöhnen und dösen. Und zwar bis Sonnenuntergang.
    Diesen Entwurf ziehen wir drei Tage durch. Ich stehe jeden Morgen gegen 8 Uhr auf und laufe 45 Minuten, mehr ist bei den Temperaturen nicht drin, wasche und erfrische mich und knattere dann mit dem kleinen Mietwagen Richtung Playa. Oh, süßer Müßiggang. Morgens halb zehn am Strand. Zwei komfortable Liegestühle mit Schirmchen erobern. Frisch gemixte Säfte zum Frühstück. Und nachmittags auch mal, Vorsicht: heiß & fettig, Pommes. Man muss auch mal etwas Verrücktes tun. Meine Haut dankt mir die Erholung mit einem sommerfrischen Teint. Und ich liege sogar oben ohne da. Ohne etwas auf dem Kopf. Das Gesicht hinter einer Sonnenbrille versteckt, die Puck, der Stubenfliege, würdig wäre, traue ich mich, das nackige Haupt zu zeigen. Dank der kleinen Küken-Härchen auf dem Kopf hat der Schädel auch nicht mehr diese abschreckende Bowlingkugel-Ästethik. Wobei ich genau die dieser Tage hier schon häufiger an anderen gesehen habe. Überwiegend Männer, meistens zwei Farbtöne zu lange in der Sonne geblieben, mit spitzem Metall im Gesicht. Wahlweise als Lippen-, Brauen-, Zungen- oder Nasenpiercing. Oder alles zusammen. Die Jungs vermitteln den Eindruck, als würden sie regelmäßig die Nächte zum Tage machen. Wie ungefähr 80 Prozent der Urlauber hier. Bunte, aufgepumpte Oberarme, am liebsten Techno im Ohr und immer einen wischenden Handrücken an der juckenden Nase wegen zu viel »Discoschnupfen«. Und damit ihnen bei so einem Lebenswandel nicht graue Haare wachsen, rasieren sie sie einfach ab. Ich bin also in bester Gesellschaft. Auch wenn diese Gesellschaft nicht die beste wäre.
    Jule und ich

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