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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
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huldigte dem Mörder fast wie einem Superstar. In Bremen sollte es eine kleine Merchandisingfirma geben, die T-Shirts und Bürotassen vertrieb, auf denen etwas dargestellt wurde, was mit den Morden zu tun hatte. Tobias fragte sich, was das nur sein konnte? Es war doch vom Mörder nichts bekannt, gar nichts. Bis auf die Taten natürlich. Er las weiter den Bericht über Jack Unterweger und behielt die Anzeige der Abflüge im Auge.
    Hass war nur überbrodelnd und kurzzeitig, meinte er, Mord aber erforderte eine lange Planung, um erfolgreich durchgeführt zu werden. Tobias war von diesem Österreicher beeindruckt, der es auf zehn Morde gebracht hatte. Unterweger war bescheinigt worden, ohne Gefühle zu leben. Er hatte kein Mitgefühl, keinerlei Fähigkeiten, emotionale Kontakte herzustellen. Dies war eine Eigenschaft, die offenbar alle Serienmörder gemeinsam hatten.
    So unterschiedlich sie auf der weiten Welt auch unterwegs waren, sie waren alle gefühlsarm. Die Opfer waren immer nur Objekte, um die Fantasien auszuleben. Die Täter hatten eine funktionsfähige Oberfläche, auf der sie ein normales Leben führten, doch unter dieser Oberfläche fand sich Dreckiges, Kaputtes, Ekliges, Furchtbares.
    Wie bei fast jedem Menschen , dachte Tobias und legte die Boulevardzeitung weg. Er hatte per SMS seinen Tipp abgegeben: Oberammergau.
    Jetzt waren es fünfzehn Tote in Deutschland, der Österreicher hatte nur zehn geschafft. Doch während man bei Unterweger ziemlich schnell auf das Motiv gekommen war – wer Huren tötete, der hasste eben Frauen – war die Öffentlichkeit wegen der Motive des Meistermörders noch immer völlig ratlos. Es gab nichts, was die toten Frauen gemeinsam hatten. Sie waren auch nicht gequält worden, sie waren nicht missbraucht worden, sie waren nicht gedemütigt worden, sie waren alle einfach nur ermordet worden; schnell und präzise.
    Immer in der Vertrautheit der eigenen Umgebung und immer ohne Hinweise auf den Täter. Nie gab es eine Verbindung vom Opfer zu ihrem unbekannten Mörder.
    So hatten die Medien auch schnell die These der Polizei verworfen, im Fall Tina S. könnte ein Verwandter die Tat begangen haben. Diese Fährte war ganz offensichtlich falsch.
    Doch noch immer wusste niemand, wie der Täter in die Wohnung von Tina S. gekommen war. Ein Privatdetektiv war in Verwahrung genommen worden, gleich zweimal, aber warum? Wenn man davon ausging, dass Tina S. vom Meistermörder getötet worden war, dann konnte man den Detektiv Pawel H. als Verdächtigen ausschließen, weil er für die anderen Tatzeiten gute Alibis hatte.
    Die Öffentlichkeit war am Ende mit ihren Spekulationen, man wusste einfach nicht mehr weiter, und jedem in Deutschland wurde klar, wenn man nicht wusste, warum einer etwas tat, dann wusste man auch nicht genau, was er überhaupt getan hatte, auch wenn das Ergebnis vor einem lag. Es kam nicht darauf an zu wissen, was hinter dem Gleichheitszeichen stand, es kam darauf an, was davor stand. Der Feind war eine Formel, von der man nur das Ergebnis kannte, vorerst. Tobias erhob sich und bestellte sich an der Bar einen Espresso.
    Bisher hatte man nur eine Gemeinsamkeit der Opfer herausgefunden: Sie alle waren allein erziehende Frauen.
    Dummerweise gab es in Deutschland zurzeit zwei Millionen siebenhundertachtundsechzigtausend Alleinerziehende weiblichen Geschlechts. Tobias schüttelte den Kopf. Solch eine gewaltige Zahl! Männlichen Geschlechts waren es nur siebenundneunzigtausendsechshundert.
    Er trank das Gebräu mit einem Schluck aus und frankierte ein großes Kuvert, das an eine literarische Stiftung in Darmstadt adressiert war. Er hatte die Verleihungsurkunde für eine literarische Ehrung unterschrieben und die Kopie wie verlangt zurückgeschickt.
    Tobias schlenderte mit kleinem Marschgepäck in der Hand durch die große Halle und suchte sich in aller Ruhe einen Briefkasten. Auf der oberen Ebene sah er durch die Panoramafenster auf die Alpen. Diese vielen Gipfel, die schneebedeckt die Weitsicht verhinderten. Tobias dachte an den Philosophen Nietzsche, der gejubelt hatte, als er endlich in einem Schweizer Ferienort zwei Dinge gefunden hatte: Körperliche Bewegung durch das Erklimmen von Bergen sowie das Kochen mit körperverträglichem Öl anstatt mit Butter. Diese beiden Neuerungen hatten den Krankheitsverlauf gehemmt, weil seine Schwester ihn bis dahin jahrelang durch die Verwendung von Butter gequält hatte, ohne es zu wissen.
    Unsere großen Geister , dachte Tobias, in ihren

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