Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
Vom Netzwerk:
Preisgeld streitig machen konnte. Überschwänglich ging er quer durch den Saal auf die vier Juroren zu und umarmte sie fest und charmant. Sie waren gerührt, als er ihnen erzählte, wie sehr er ihre Arbeit der letzten Jahre bewunderte: »Einzigartige Gedanken, ganz einzigartig!«
    Der Schlossherr klopfte mit einer Dessertgabel gegen ein geschliffenes Champagnerglas und begrüßte die Gäste. Sie waren weltweit die besten Vertreter der Literatur, er war sehr stolz, dass sie seiner Einladung gefolgt waren. Tobias sah zu der Kongolesin, die aber keine Notiz von ihm nahm. Bloß keine Lesbierin , ging es ihm durch den Kopf.
    Man gruppierte sich um das Buffet und tauchte winzige Weißbrotscheiben in Schalen voller Kaviar. Ein russischstämmiger Autor führte das Wort, bis Tobias erklärte, dieser Kaviar stamme aber aus Norddeutschland, aus Demmin. Der Stör werde dort gezüchtet. Das Kaviarmonopol Russlands sei schon lange aufgebrochen. »Nichts für ungut«, fügte er an. »Wussten Sie, dass nur hundertdreißig Kilometer von hier der erste überführte Serienkiller geboren worden ist? Der Viehdieb Jack Unterweger. Zehn Morde!«
    »Wie schrecklich«, sagte eine der Autorinnen.
    »Ich dachte, Sie meinten den anderen Massenmörder«, sagte einer der Männer. Er trug einen langen, schwarzen Bart und blickte finster durch eine Brille mit runden Gläsern und breitem, schwarzem Gestell. Tobias schien es, als wolle der Mittdreißiger seine Augen verstecken. Er ging auf dessen Bemerkung nicht ein. Wozu auch?
    Ein wenig später wurde das Fünf-Gänge-Menü serviert, bei dem sich die Unterhaltung um die Rosenzucht drehte. Das Gespräch schleppte sich dahin, auch die anderen Gäste waren von der Anreise ermüdet. Tobias gähnte ungeniert, war er doch mit großem Abstand der Jüngste, wobei seine Preisliste eine der längsten war. Erst letzte Woche hatte ein Wirtschaftsmagazin seinen Markwert neu beziffert, weil er die Rechte an seiner Biografie versteigert hatte. Das war wieder einer jener kühnen Schachzüge gewesen, die den Literaturbetrieb im Innersten erschüttert hatten. So offen habe noch kein Lyriker gezeigt, dass es ihm ums Geld gehe, hatten die Literaturmagazine gewettert.
    Tobias erhob sich als einer der ersten Gäste und verabschiedete sich, um ein Stündchen Mittagsschlaf zu halten. Dies hielten auch andere für eine ausgezeichnete Idee, der Gastgeber protestierte erschrocken, musste sich dann aber damit abfinden, dass die ersten Lesungen heute erst nach dem Abenddinner stattfanden. Er gab seinem Sekretär einen Wink, der die Presse benachrichtigte.
    Untergebracht waren sie im größten Hotel des Erholungsortes, das sich gegenüber dem Theatergebäude befand, in dem die Lesungen gehalten werden sollten. Reichenau an der Rax war noch wie ausgestorben, im Hotel waren die Schriftsteller unter sich. Tobias nahm seinen Schlüssel entgegen und sagte, er brauche für die nächsten Tage drei schwarze Anzüge, drei weiße Hemden und passende Schuhe. Konfektionsgröße L, Schuhgröße dreiundvierzig. Der Mann an der Rezeption sah ihn überrascht an: »Der nächste Herrenausstatter befindet sich in Wiener Neustadt. Das sind rund vierzig Kilometer!«
    »Dann schicken Sie jemanden dorthin, die Sachen zu holen, und setzen Sie es auf die Hotelrechnung. Der Veranstalter übernimmt sämtliche Kosten. Ich bin direkt vom Flieger hierhergekommen, keine Möglichkeit, noch passende Sachen zu kaufen, aber was entschuldige ich mich überhaupt bei Ihnen!«
    »Ich weiß nicht, ob …«
    »Oder bestellen Sie den Schneider her. In sechs Stunden brauche ich ausgehfähige Kleidung. Neunzehn Uhr fünfundvierzig ist Anprobe, mein Lieber«, sagte Tobias. Er hob seine alte Sporttasche auf, drehte sich um und ging zu den Aufzügen. Im Lift sagte er zu zwei seiner Kollegen: »Leute schickt das Arbeitsamt!«
    Das Zimmer erinnerte ihn an das auf Bornholm. Eine gemütliche Einrichtung, gediegener Komfort, alles nicht mehr ganz neu, aber sehr gepflegt und sauber. Er ging auf den Balkon und dachte an die Ostsee, die er auf Bornholm vom Zimmer aus hatte sehen können. Hier war nichts von einem Meer zu sehen, hier versperrten schneebedeckte Gipfel den Blick zum Horizont.
    Mal wieder Berge , dachte er. Kennst du einen, kennst du alle!
    Der Poet ging zurück in sein Zimmer, öffnete den Safe und versteckte als Erstes sein Vorlesungsmanuskript. Dann inspizierte er die Bar, bevor er es sich mit einem Fläschchen Whisky auf dem Bett gemütlich machte. Er trank es in

Weitere Kostenlose Bücher