French 75: Ein Rostock-Krimi
zufrieden. Dem Meister gab er aus der eigenen Schatulle ein gutes Trinkgeld, vergaß auch den Gesellen nicht, und schob die beiden Schneider dann bestimmt zur Tür.
»Und Sie sind sicher, dass Schloss Wartholz die Kosten trägt?«
»Aber ja, aber ja, nur keine Sorge! Einfach auf meine Hotelrechnung setzen lassen, der Herr!«, sagte Tobias. »Eine ganz ausgezeichnete Arbeit, die Sie da in der Kürze der Zeit zustandegebracht haben.«
Der Schneidermeister nickte, lächelte und sagte, schon auf dem Hotelflur stehend: »Wissen Sie, es sind nämlich immerhin einige hundert Euro.«
»Ich mag die Summe gar nicht wissen, das könnte mich nur irritieren. Sie wollen doch nicht, dass ich von Österreich irritiert bin? Sie sind doch Patriot, oder?«
Augenblicklich straffte sich der Schneidermeister.
Tobias schloss ohne ein weiteres Wort die Tür und ging zurück zur Minibar. Er nahm sich eine Cola, mischte sie mit einem Energydrink und trank den Mix in einem Zug aus. Bevor er das Zimmer verließ, nahm er das Manuskript aus dem Zimmertresor und steckte es sich in die Innentasche des prachtvoll sitzenden Anzuges. Wenig später stand er in der Hotellobby, wo auch andere Schriftsteller die Zeit hinauszögerten, bis sie sich der Jury zu stellen hatten. Tobias war angeekelt von den Menschen, denen er gleich gegenüberstehen würde.
Warum schickte man ihnen die Preisgelder nicht einfach nach Hause? Was sollten diese öffentlichen Auftritte? Sie waren doch nur verschrobene Literaten, die lieber am Schreibtisch saßen, um sich eine Welt zu erfinden, anstatt hinaus in die schon vorhandene Welt zu gehen. Tobias seufzte und suchte die Frau aus dem Kongo. Sie war nicht mehr oder noch nicht in der Lobby. Er schlenderte zur Drehtür, die sich in Bewegung setzte, sobald er in ihrer Reichweite war. Sofort blitzten draußen Kameras auf. Reporter brachten sich in Stellung. Sogar einen roten Teppich hatte das Hotel spendiert. Tobias schüttelte den Kopf und machte auf den Absätzen kehrt.
»Kommen Sie, mein junger Lyriker, wir nehmen alle noch einen kleinen Red Bull. Wussten Sie, dass dieses Getränk hier in der Alpenrepublik erfunden wurde?«
»Es gibt hier sogar einen Fußballverein, der von unserer Sucht profitiert«, sagte der Schweizer.
»Salzburg! Mein Gott, vielleicht schaue ich mir nach der Veranstaltung noch Salzburg an«, sagte ein anderer. »Wer weiß, wann ich mal wieder in Österreich bin.«
Sie verplauderten an der Hotelbar eine ganze halbe Stunde, ehe der Schlossherr höchst aufgeregt ins Hotel kam: »Meine Herren, meine Damen, wenn ich bitten darf! Man erwartet Sie!«
Nacheinander nahm er sie alle am Arm und zog sie von den Thekenhockern, während er fortfuhr: »Die Auslosung hat ergeben, dass heute Abend der Lyriker Tobias Siegfried März beginnen wird. Es folgt die Dramatikerin Sarah Oboschanie, ehe der Abend von Theodora Meyer beendet wird. Dann gibt es einen Empfand des Kulturministeriums, ehe wir morgen in aller Frische weitermachen. – Entspannen Sie sich, seien Sie einfach Sie selbst!«
Tobias ging als Erster hinaus und blieb auf dem roten Teppich dicht an der Drehtür stehen, so dass seine Kollegen ihm nicht folgen konnten. Er lächelte charmant in die Kameras und sagte immer wieder: »Tobias März, März Tobias, Tobias März, Tobias, Tobias März!«
Das war die Antwort auf alle Fragen, die auf ihn einstürmten. Er lächelte in die ratlosen Gesichter der Journalisten.
Erst nach vier Minuten ging er ein paar Schritte weiter und befreite seine Kollegen so aus der misslichen Lage, in der Drehtür festgesteckt zu haben. Sie stolperten ins Freie, was kein schöner Anblick war. Tobias drehte sich um und gab sich mit großer Geste hilfsbereit. Er ließ die ersten Kollegen vorbei, um sich die schöne Afrikanerin zu schnappen. Er hakte sich bei ihr unter, tätschelte ihre Hand, zog sie mit sich und fragte sie ins Ohr, ob er etwa zu aufdringlich wäre.
Sie lachte auf, lächelte dann, und die Klatschpresse reagierte mit Blitzlichtsalven.
»Sind Sie ein Paar? Woher kennen Sie sich, wenn die Frage erlaubt ist?«
Der Poet an der Seite der Dramatikerin antwortete nicht, sondern wedelte mit der linken Hand den Weg frei.
Leider war sein erster Plan fehlgeschlagen! Er konnte ihr Manuskript nicht mehr vernichten, weil sie ihren Auftritt gleich nach ihm hatte. Es blieb ihm also nur der ursprüngliche Plan, der hauptsächlich auf seinem ausgemachten Jungencharme fußte. Tobias richtete seine ganze Konzentration auf die
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