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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Rot
schwächer wurde. »O Gott, wie ich aussehe, da müssen ja alle denken, ich hab
Hitzewallungen ... Nicht, dass ich bis über beide Ohren in Lenny verknallt gewesen
wäre, das nicht. Wahrscheinlich hätte ich sowieso über kurz oder lang mit ihm
Schluss gemacht, er konnte ganz schlecht küssen. Aber ich hab mich danach nie
wieder so gefühlt wie vorher. Du weißt das bestimmt nicht mehr, aber davor
war ich ein freches, kleines Biest - ich hab Ma und Dad ständig Widerworte
gegeben, richtig heftig. Aber danach bin ich überängstlich geworden. Stell dir
vor, ich und Trevor haben ein Jahr lang davon geredet, uns zu verloben, bevor
wir es dann getan haben. Er hatte Geld für den Ring und alles zusammengespart,
aber ich wollte nicht, weil ich wusste, dass es dann eine Verlobungsfeier geben
würde. Die beiden Familien in einem Raum. Die Vorstellung hat mich richtig
fertiggemacht.«
    »Kann ich
verstehen«, sagte ich. Einen Moment lang wünschte ich, ich wäre netter gewesen
zu Trevors schweinsgesichtigem kleinen Bruder.
    »Und bei
Shay ist es genauso. Er ist nicht ängstlich geworden wie ich oder so, und Dad
hat ihm auch nie wegen der Mädchen Ärger gemacht, aber ...« Ihre Augen glitten
zu Shay, der am Küchentürrahmen lehnte, eine Bierdose in der Hand und den Kopf
dicht zu Linda Dwyer gebeugt. »Erinnerst du dich - da musst du ungefähr
dreizehn gewesen sein -, wie er mal bewusstlos geworden ist?«
    Ich sagte:
»Ich versuche, möglichst nicht dran zu denken.« Das war besonders spaßig
gewesen. Dad hatte Ma eine knallen wollen, aus Gründen, die mir entfallen sind,
und Shay hatte sein Handgelenk gepackt. Dad konnte es nicht sonderlich leiden,
wenn seine Autorität untergraben wurde. Er machte das Shay überdeutlich, indem
er ihn an der Gurgel packte und seinen Kopf mit voller Wucht gegen die Wand
schlug. Shay verlor das Bewusstsein, wahrscheinlich für eine Minute, aber uns
kam es vor wie eine Stunde, und konnte den Rest des Abends nicht mehr geradeaus
sehen. Ma wollte nicht, dass wir ihn ins Krankenhaus brachten - es war nicht klar,
ob sie wegen der Ärzte besorgt war, wegen der Nachbarn oder sowohl als auch,
aber der Gedanke machte sie hysterisch. Ich verbrachte die Nacht damit, den
schlafenden Shay zu beobachten und Kevin zu beruhigen, dass er nicht sterben
würde, während ich mich gleichzeitig fragte, was ich machen würde, falls doch.
    Carmel
sagte: »Danach war er nicht mehr der Alte. Das hat ihn hart gemacht.«
    »Davor war
er aber auch nicht gerade ein großer, weicher Marshmallow.«
    »Ich weiß,
ihr habt euch nie verstanden, aber ich schwöre bei Gott, Shay war in Ordnung.
Er und ich hatten manchmal richtig tolle Gespräche, und er kam auch prima in
der Schule klar ... Erst danach hat er sich mehr und mehr zurückgezogen.«
    Sallie
erreichte ihr großes Finale - »In the meantime we'll live with
me Ma!« -, und es brach Jubel und Applaus aus. Carmel und ich
klatschten automatisch. Shay hob den Kopf und schaute sich im Raum um. Eine
Sekunde lang sah er aus wie ein Sterbenskranker: gräulich und erschöpft, mit
dunklen Schatten unter den Augen. Dann lächelte er wieder über irgendetwas,
das Linda Dwyer ihm erzählte.
    Ich
fragte: »Was hat das alles mit Kevin zu tun?«
    Carmel
seufzte tief und nippte wieder geziert an ihren falschen Pfirsichen. Ihre
hängenden Schultern verrieten, dass sie auf das melancholische Stadium
zusteuerte. »Weil«, sagte sie, »ich deshalb neidisch auf ihn war. Kevin und
Jackie ... die beiden hatten es auch nicht leicht, ich weiß. Aber so etwas
haben sie nie erlebt, etwas, was sie total verändert hat. Dafür haben ich und
Shay gesorgt.«
    »Und ich.«
    Sie dachte
darüber nach. »Ja«, bestätigte sie. »Und du. Aber wir haben versucht, uns auch
um dich zu kümmern - doch, Francis, das haben wir. Ich hab immer gedacht, dass
es dir auch gutgeht. Du hattest jedenfalls den Mumm abzuhauen. Und dann haben
wir von Jackie erfahren, dass du richtig was erreicht hast ... Für mich war das
der Beweis dafür, dass du noch rechtzeitig den Absprung geschafft hast, ehe du
völlig verkorkst worden bist.«
    Ich sagte:
»Es war aber haarscharf.«
    »Das ist
mir erst neulich Abend im Pub klargeworden, als du es gesagt hast. Wir haben
für dich getan, was wir konnten, Francis.«
    Ich
lächelte sie an. Ihre Stirn war ein Irrgarten aus kleinen ängstlichen Furchen,
von der lebenslangen Sorge, ob es allen in ihrer Nähe gutging. »Das weiß ich
doch, Herzchen. Besser hätte das keiner machen

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