French, Tana
Mehrere Gläser. Ich fange gerade erst an.«
»Ich
hoffe, du bildest dir nicht ein, dass du hier schlafen kannst, wenn du zu viel
trinkst, um dich noch ans Steuer zu setzen.«
»Liv«, sagte
ich, »normalerweise würde ich mich mit dem größten Vergnügen auf jedes
Nebenscharmützel einlassen, das du zur Ablenkung startest, aber heute Abend
sollte ich dich warnen. Ich werde ziemlich strikt bei der Sache bleiben. Wieso
verdammt nochmal kennt Holly Kevin?«
Olivia
fing an, sich das Haar nach hinten zu binden, und schlang gekonnt mehrmals ein
Gummiband darum. Offensichtlich hatte sie beschlossen, sich gleichmütig und
gelassen und gefasst zu geben. »Ich habe Jackie erlaubt, die beiden miteinander
bekannt zu machen.«
»Oh, glaub
mir, ich werde noch ein Wörtchen mit Jackie reden. Ich kann mir vorstellen,
dass du tatsächlich so naiv bist, das für eine nette Idee zu halten, aber
Jackie hat keine Entschuldigung. Bloß Kevin oder die ganze verfluchte Addams
Family? Sag mir, dass es nur Kevin war, Liv. Bitte.«
Olivia
verschränkte die Arme und drückte den Rücken flach gegen die Küchenwand. Ihre
Kampfhaltung: Ich hatte sie schon zu oft gesehen. »Ihre Großeltern, ihre Onkel,
ihre andere Tante, ihr Cousin und ihre Cousinen.«
Shay.
Meine Mutter. Mein Vater. Ich habe noch nie eine Frau geschlagen. Ich merkte
erst, dass ich mit dem Gedanken spielte, als ich spürte, wie meine Hand die
Kante des tuntigen kleinen Thekenhockers umklammerte, fest.
»Jackie
hat sie ab und an mal zum Abendessen mitgenommen, nach der Schule. Sie hat
ihre Familie kennengelernt, Frank. Das ist kein Weltuntergang.«
»Meine
Familie lernt man nicht kennen, man eröffnet sofort das Feuer. Man nimmt einen
Flammenwerfer mit und eine Panzerweste. Wie oft genau war Holly bei meiner
Familie zum Abendessen, um sie kennenzulernen, wie du so
schön sagst?«
Ein
knappes Achselzucken. »Ich hab nicht mitgezählt. Zwölf-, fünfzehnmal?
Vielleicht zwanzigmal?«
Ȇber
welchen Zeitraum?«
Das erste
schuldbewusste Wimpernflattern. »Etwa ein Jahr.«
Ich sagte:
»Du hast meine Tochter also ein Jahr lang dazu gebracht, dass sie mich anlügt?«
»Wir haben
ihr gesagt -«
»Ein Jahr.
Ein Jahr lang hat Holly mir jedes Wochenende, wenn ich sie gefragt hab, was sie
die Woche über gemacht hat, einen vom Pferd erzählt.«
»Wir haben
ihr gesagt, die Sache müsste eine Weile ein Geheimnis bleiben, weil du dich
mit deiner Familie zerstritten hast. Mehr nicht. Wir wollten —«
»Nenn es
von mir aus ein Geheimnis bewahren, nenn es lügen, nenn es, wie du willst. Auf
so einen Scheiß versteht meine Familie sich am besten. Das ist ihr
gottgegebenes Naturtalent. Ich wollte Holly so weit wie möglich davon fernhalten,
damit sie es vielleicht irgendwie schafft, ihren Genen ein Schnippchen zu schlagen
und zu einem ehrlichen, gesunden, unverkorksten Menschen heranzuwachsen. Hört
sich das für dich maßlos an, Olivia? Hört sich das wirklich so an, als wäre es
zu viel verlangt?«
»Frank, du
wirst sie wieder aufwecken, wenn -«
»Stattdessen
lässt du sie mitten in die Höhle des Löwen schleppen. Und schwups, große
Überraschung, ehe du dich versiehst, benimmt sie sich haargenau wie eine
verdammte Mackey. Sie lügt, als hätte sie nie was anderes getan. Und du
ermunterst sie auch noch dazu. Das ist niederträchtig, Liv. Wirklich. Das ist
so ziemlich das Niederträchtigste, Mieseste, Beschissenste, was ich je gehört
habe.«
Sie hatte
zumindest den Anstand, rot zu werden. »Wir wollten es dir ja sagen, Frank. Wir
dachten, wenn du erst mal siehst, wie gut es läuft -«
Ich lachte
so laut auf, dass Olivia zusammenzuckte. »Verdammt und zugenäht, Liv! Das
nennst du gut laufen? Korrigier mich, wenn mir da was
entgangen ist, aber soweit ich das sehen kann, ist dieser ganze
Riesenschlamassel sehr, sehr weit davon entfernt, gut zu laufen.«
»Himmelherrgott,
Frank, wir konnten doch nicht ahnen, dass Kevin -«
»Du hast
gewusst, dass ich sie niemals in die Nähe meiner Familie bringen wollte. Das
hätte vollauf genügen müssen. Was hast du daran nicht verstanden?«
Olivia
hatte den Kopf gesenkt, und ihr Kinn hatte einen trotzigen Zug angenommen,
genau wie Hollys. Ich griff wieder zu der Flasche und sah Olivias bösen Blick,
doch es gelang ihr, nichts zu sagen, woraufhin ich mir großzügig nachschenkte
und dabei einen ordentlichen Schwall auf die hübsche Schiefertheke schwappen
ließ. »Oder hast du es deshalb erlaubt - weil du wusstest, dass ich
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