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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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so langer Zeit
sind derartige Leerstellen normal. Aber was mir zu schaffen macht, sind die
Fingerabdrücke.«
    Ich hatte
mich gefragt, ob ihm das auffallen würde. »Was ist damit?«
    Er leckte
sich Mayo vom Daumen und hielt ihn hoch. »Erstens: die unbekannten Abdrücke
auf dem Koffer. Sie könnten belanglos sein, aber wenn das meine Ermittlungen
wären, würde ich versuchen, die Abdrücke zu identifizieren, ehe ich den Fall
abschließe.«
    Ich hatte
einen starken Verdacht, wer diese Abdrücke hinterlassen hatte, aber ich war
nicht in Plauderlaune. Ich sagte: »Das würde ich auch. Sonst noch was?«
    »Und ob.
Zweitens« - ein Finger ging hoch -, »wieso sind keine Abdrücke auf der ersten
Seite des Briefes? Die zweite Seite abzuwischen macht Sinn: Falls jemand
misstrauisch wird und Rose als vermisst meldet, will Kevin nicht, dass die Cops
seine Abdrücke auf ihrem Abschiedsbrief finden. Aber die erste Seite? Er holt
sie aus dem Versteck, in dem er sie die ganzen Jahre aufbewahrt hat, er will
sie als Erklärung für seinen Selbstmord und als Geständnis verwenden, und dann wischt er sie ab und zieht Handschuhe an, ehe er sie einsteckt?
    Etwa für
den Fall, dass irgendwer ihn damit in Verbindung bringt?«
    »Und wie
erklärt sich Detective Kennedy das?«
    »Er sagt,
das ist eine kleine Ungereimtheit, unwichtig, so was gibt es bei jeder
Ermittlung. Kevin wischt in der ersten Nacht beide Blätter ab und versteckt das
erste irgendwo. Und als er es wieder rausnimmt, hinterlässt er keine Abdrücke -
das kommt schon mal vor. Was auch stimmt, aber ... Es geht hier um jemanden,
der vorhat, sich umzubringen. Um jemanden, der praktisch einen Mord gesteht. Da
kann einer noch so cool sein, er wird trotzdem schwitzen wie ein Schw- ... wie
verrückt. Und wenn einer schwitzt, hinterlässt er Fingerabdrücke.« Stephen
schüttelte den Kopf. »Auf dem Blatt müssten Fingerabdrücke sein«, sagte er,
»aus die Maus.« Er fiel wieder über sein Sandwich her.
    Ich sagte:
»Lassen Sie uns nur so zum Spaß ein bisschen rumspekulieren. Nehmen wir mal
kurz an, mein alter Freund Detective Kennedy ist dieses eine Mal auf dem
falschen Dampfer, und Kevin Mackey ist nicht der Mörder von Rose Daly. Was
hätten wir dann?«
    Stephen
musterte mich. Er fragte: »Gehen wir davon aus, dass Kevin auch ermordet
wurde?«
    »Das frag
ich Sie.«
    »Falls er
den Brief nicht abgewischt und in seine Tasche gesteckt hat, dann muss das
jemand anderes getan haben. Ich tippe auf Mord.«
    Ich spürte
wieder diese jähe tückische Welle von Zuneigung in mir aufschäumen. Fast hätte
ich den Jungen in den Schwitzkasten genommen und ihm die Haare zerzaust.
»Keine Einwände«, sagte ich. »Und was wissen wir über den Mörder?«
    »Vermuten
wir, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt?«
    »Das will
ich hoffen. Meine alte Gegend mag ja ein bisschen abgedreht sein, aber ich
hoffe schwer, nicht so abgedreht, dass gleich zwei Killer auf derselben Straße
ihr Unwesen treiben.«
    Irgendwann
während der letzten sechzig Sekunden, seit er angefangen hatte, eigene
Meinungen zu haben, war Stephen mir gegenüber wesentlich mutiger geworden. Er
saß jetzt vorgebeugt, Ellbogen auf dem Tisch, und hatte vor lauter Konzentration
den Rest seines Sandwichs vergessen. In seinen Augen lag ein neues, hartes
Leuchten, härter, als ich das von so einem treuherzigen, unschuldigen
Frischling erwartet hätte. »Dann müsste es laut Cooper ein Mann sein. Alter
zwischen, sagen wir, Ende dreißig und fünfzig - so dass er zwischen fünfzehn
und dreißig war, als Rose starb -, und ziemlich fit, damals wie heute. Die Tat
hat einige Kraft erfordert.«
    Ich sagte:
»Der Mord an Rose ja. Der an Kevin nicht. Wenn er ihn dazu gebracht hat, sich
aus dem Fenster zu lehnen — und er war kein argwöhnischer Mensch —, hätte ein
kleiner Stoß genügt. Ohne große Kraftanstrengung.«
    »Okay,
falls unser Mann zwischen fünfzehn und fünfzig war, als er Rose erledigte, dann
wäre er heute irgendwo zwischen Ende dreißig und siebzig.«
    »Leider
ja. Können wir sonst noch was über ihn sagen, um den Kreis einzuengen?«
    Stephen
sagte: »Er ist irgendwo ganz in der Nähe von Faithful Place aufgewachsen. Er
kennt Haus Nummer sechzehn wie seine Westentasche: Als er merkte, dass Rose tot
war, muss er total geschockt gewesen sein, aber er hat trotzdem an diese
Betonplatten im Keller gedacht. Und nach allem, was wir hören, sind die Leute,
die sich in Nummer sechzehn auskennen, allesamt Leute, die als

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