French, Tana
gestutzte Büsche, kleine etikettierte Stangen in Blumenbeeten,
startklar für den Frühling. Das Außenklo war in einen robusten kleinen
Gartenschuppen umgewandelt worden. Ich suchte mir eine herzige schmiedeeiserne
Bank in einer praktischerweise dunklen Ecke, wischte sie einigermaßen trocken,
machte es mir bequem und wartete.
Im ersten
Stock brannte Licht, und ich konnte eine ordentliche Reihe von
Kiefernholzhängeschränken sehen: die Küche. Und tatsächlich, nach etwa einer
halben Stunde kam Nora herein. Sie trug einen übergroßen schwarzen Pullover und
hatte das Haar zu einem lockeren Knoten zurückgebunden. Selbst auf diese
Entfernung sah sie müde und blass aus. Sie ließ sich ein Glas Leitungswasser
einlaufen, lehnte sich gegen die Spüle, um es zu trinken, und starrte blicklos
aus dem Fenster, während sie sich mit der freien Hand den Nacken massierte.
Nach einem Moment schnellte ihr Kopf hoch; sie rief etwas über die Schulter,
spülte rasch das Glas aus, ehe sie es auf das Abtropfgitter stellte, nahm
irgendetwas aus einem Schrank und ging.
Ich würde
also hier hocken wie bestellt und nicht abgeholt, bis Nora Daly beschloss, ins
Bett zu gehen. Ich konnte nicht mal rauchen, weil jemand die Glut sehen könnte:
Matt Daly war der Typ, der zum Wohle der Allgemeinheit mit dem Baseballschläger
auf Herumtreiber losgehen würde. Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit, so
kam es mir vor, konnte ich nichts anderes tun als warten.
Faithful
Place begab sich allmählich zur Ruhe. Ein Fernseher warf Flimmerlicht auf die
Mauer der Dwyers; von irgendwoher drang schwach Musik, eine zarte,
schwermütige Frauenstimme, die über die Gärten wehte. In Nummer 7 glitzerten
bunte Weihnachtslämpchen und pummelige Weihnachtsmänner in den Fenstern, und
aus Sallie Hearnes derzeitiger Teenagerschar rief einer: »Nein! Ich hasse
dich!«, um daraufhin eine Tür zuzuknallen. Oben in Nummer 5 brachten die Epiduralyuppies ihr Kind ins Bett: Daddy trug
es frisch gebadet in einem kleinen weißen Morgenrock ins Zimmer, schaukelte
es hoch in die Luft und kitzelte es am Bauch, während Mummy lachte und sich
bückte, um das Bett aufzuschlagen. Schräg gegenüber von ihnen stierten meine Ma
und mein Dad vermutlich katatonisch den Fernseher an, eingehüllt in ihre
einsamen unvorstellbaren Gedanken, und versuchten, es bis zum Schlafengehen zu
schaffen, ohne miteinander reden zu müssen.
Die Welt
fühlte sich letal an in jener Nacht. Normalerweise genieße ich Gefahr, es gibt
nichts Besseres, um den Verstand auf Hochtouren zu bringen, aber diesmal war
das anders. Diesmal wogte und krümmte sich die Welt unter mir wie ein
gewaltiger Muskel, ließ uns alle den Halt verlieren und zeigte mir von neuem,
wer hier das Sagen hatte und wer in diesem Spiel millionenfach überfordert war.
Das tückische Zittern in der Luft war eine Drohung: Alles, was du glaubst,
steht zur Disposition, jede Grundregel kann sich schlagartig ändern, und die
Bank gewinnt immer, absolut immer. Es hätte mich nicht erstaunt, wenn Nummer 7 über den Hearnes und ihren Weihnachtsmännern eingestürzt
wäre oder wenn Nummer 5 in einem
bombastischen Wuuschhh aus Flammen und pastellfarbigem
Yuppiestaub in die Luft geflogen wäre. Ich dachte an Holly und ihr
vermeintliches Leben im Elfenbeinturm, dessen ich mir so sicher gewesen war,
wie sie jetzt versuchte zu begreifen, dass die Welt auch ohne Onkel Kevin
weiterbestehen konnte; an den guten kleinen Stephen in seinem nagelneuen
Mantel, der nicht glauben wollte, was ich ihm über seine Arbeit beibrachte; an
meine Mutter, die mit meinem Vater vor den Altar getreten war und seine Kinder
zur Welt gebracht und geglaubt hatte, dass das eine gute Idee war. Ich dachte
an mich und Mandy und Imelda und die Dalys, wie wir stumm in unseren jeweiligen
Winkeln der Nacht saßen und versuchten, uns klarzumachen, welche Form die
letzten zweiundzwanzig Jahre ohne Rosie angenommen hatten, ohne Rosie irgendwo
da draußen wie ein unsichtbares Kraftfeld.
Wir waren
achtzehn und an einem späten Samstagabend im Frühling im Galligan, als Rose
zum ersten Mal England zu mir sagte. Meine ganze Generation
hat Geschichten über das Galligan zu
erzählen, und wer keine hat, borgt sich welche von anderen. Jeder Dubliner
Anzugträger im mittleren Alter wird Ihnen für sein Leben gern erzählen, wie er
mal aus dem Galligan abgehauen ist, als es um drei Uhr
morgens von der Polizei geräumt wurde, oder wie er U2 einen Drink spendierte,
ehe sie berühmt wurden,
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