French, Tana
schlagen können, und ich wäre,
sobald man mich aus dem Krankenhaus entlassen hätte, so schnell wieder zu Rosie
gehumpelt, wie ich gekonnt hätte.
Ma sagte
spitzzüngig und zufrieden: »Es blieb ihm nichts anderes übrig. Tessies Dad
hatte ihr immer alles durchgehen lassen, jawohl, und das war dabei
herausgekommen, aber danach ließ er sie kaum noch vor die Tür. Sie durfte nur
noch zur Arbeit gehen, und er hat sie persönlich hingebracht. Ich kann's ihm
nicht verdenken, die Leute haben sich das Maul zerrissen. Kleine Bengel haben
ihr auf der Straße Sachen hinterhergerufen, die Älteren haben bloß drauf
gewartet, dass sie einen dicken Bauch kriegt, die Hälfte ihrer Freundinnen
durfte nicht mehr mit ihr reden, damit sie aus denen nicht auch noch Huren
macht. Father Hanratty hat eine Predigt über lose Frauenzimmer gehalten, die
das Land schwächen, und dass die Männer 1916 nicht dafür gestorben wären. Keine
Namen, wohlgemerkt, aber jeder wusste, wer gemeint war. Danach war endgültig
Schluss mit Tessies Mätzchen.«
Über fast
ein halbes Jahrhundert hinweg konnte ich die zermürbenden Anfeindungen fühlen,
ihre trunkene Hysterie, den rasenden Adrenalinrausch, als Faithful Place Blut
witterte und zum Angriff überging. Diese Wochen hatten wahrscheinlich den Keim
des Wahnsinns in Tessie Dalys Kopf gepflanzt. »Das glaub ich unbesehen«, sagte
ich.
»Und
verdient hatte sie's! Der haben sie's gezeigt. Hat sich benommen wie ein
Flittchen, aber wollte nicht so genannt werden.« Ma saß jetzt kerzengerade und
hatte ihr selbstgerechtes Gesicht aufgesetzt. »Direkt danach hat sie dann was
mit Matt Daly angefangen - der hatte sie schon seit Jahren angehimmelt, aber
sie hatte ihn keines Blickes gewürdigt. Erst als er ihr gelegen kam. Matt war
ein anständiger Kerl. Tessies Dad hatte nichts dagegen, dass sie mit ihm ging.
Das waren die einzigen Gelegenheiten, wo sie vor die Tür durfte.«
Ich sagte:
»Und deshalb hat Dad was gegen Matt Daly? Weil er ihm sein Mädchen
weggeschnappt hat?«
»Das war
der Hauptgrund. Aber die beiden konnten sich noch nie leiden.« Sie legte das
Silberding in eine Reihe mit drei anderen, die genauso aussahen, schnippte ein
winziges Schmutzkörnchen weg und nahm ein kitschiges Teil aus der noch
unpolierten Abteilung Christbaumschmuck zur Hand. »Matt war immer neidisch auf
deinen Dad. Dein Dad sah tausendmal besser aus als Matt, keine Frage, und alle
mochten ihn - nicht bloß die Mädchen, auch die anderen Burschen fanden ihn
nett, lustig ... Matt war ein langweiliger kleiner Schwachkopf. Saft- und
kraftlos.«
In ihrer
Stimme schwangen alte Gefühle mit, Triumph und Verbitterung und Schadenfreude
ineinander verschlungen. Ich sagte: »Und als Matt dann doch noch das Mädchen abschleppte,
hat er es Dad unter die Nase gerieben?«
»Das hat
ihm noch nicht gereicht. Dein Dad hatte sich bei Guinness beworben, als Fahrer.
Die hatten ihm gesagt, er hätte den Job so gut wie in der Tasche, sobald der
nächste Fahrer in den Ruhestand gehen würde. Aber Matt Daly hatte schon ein
paar Jahre da gearbeitet und sein Dad vor ihm; er hatte Beziehungen. Nach der
Geschichte mit Tessie ging Matt zu seinem Vorarbeiter und erzählte dem, Jimmy
Mackey wäre nicht der Richtige für Guinness. Auf jede freie Stelle bewarben
sich mindestens zwanzig junge Männer. Die wollten keinen, mit dem es Ärger
geben könnte.«
»Und so
ist Dad auf dem Bau gelandet.« Immer noch besser als im Bau,
dachte ich.
»Mein
Onkel Joe hat ihm da eine Lehrstelle besorgt. Wir hatten uns kurz nach dem
Tamtam mit Tessie verlobt. Dein Dad brauchte was Solides, weil wir eine Familie
gründen wollten.«
Ich sagte:
»Du hast schnell reagiert.«
»Ich hab
meine Chance gesehen und genutzt. Ich war inzwischen siebzehn; die Jungs
schauten mir also schon hinterher. Dein Dad war ...« Mas Lippen verschwanden,
und sie presste ihren Lappen fester in die Ritzen des Christbaumanhängers.
»Ich wusste, dass er noch immer verrückt nach Tessie war«, sagte sie nach einem
Moment, und in ihrer Stimme lag ein trotziges Funkeln, das mich für einen
winzigen Augenblick ein Mädchen sehen ließ, das mit vorgerecktem Kinn an
diesem Küchenfenster stand, den wilden Jimmy Mackey beobachtete und dachte: Du gehörst
mir. »Aber das hat mir nichts ausgemacht. Ich hab mir gedacht,
das ändert sich schon, wenn ich ihn erst mal in die Finger gekriegt hab. Ich
hab nie große Wünsche gehabt. Ich hab mir nie vorgestellt, ich würde mal ein
Hollywoodstar. Ich hab
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