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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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mir nie was eingebildet. Ich wollte immer bloß ein
Häuschen und ein paar Kinder und Jimmy Mackey.«
    »Tja«,
sagte ich. »Du hast die Kinder gekriegt und den Mann.«
    »Ja, am
Ende hab ich ihn gekriegt. Das, was Tessie und Matt von ihm übriggelassen
hatten. Da hatte er schon mit dem Saufen angefangen.«
    »Aber du
wolltest ihn trotzdem haben.« Ich ließ meine Stimme bewusst freundlich und
unvoreingenommen klingen.
    »Ich hatte
mein Herz an ihn gehängt. Meine Mammy, sie ruhe in Frieden, hat mich gewarnt:
Lass dich nie mit einem Trinker ein. Aber ich hatte keine Ahnung. Mein eigener
Dad - an den wirst du dich nicht erinnern, Francis, aber er war ein lieber Mann
- hat nie einen Tropfen angerührt. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen,
was es heißt, wenn ein Mann trinkt. Ich wusste, dass Jimmy schon mal einen über
den Durst trank, aber das machten doch alle Männer. Ich hab gedacht, mehr wäre
das nicht — und das stimmte auch, zumindest, als ich mich in ihn verguckt hab.
Bis Tessie O'Byrne ihn kaputtgemacht hat.«
    Ich
glaubte ihr. Ich weiß, was die richtige Frau im richtigen Moment einem Mann
antun kann. Natürlich war Tessie selbst offenbar auch nicht ganz ungeschoren
davongekommen. Manche Menschen sollten sich besser nie begegnen. Die Auswirkungen
können so verheerend und nachhaltig sein wie radioaktiver Niederschlag.
    Ma sagte:
»Alle haben immer gesagt, Jimmy Mackey wäre ein Taugenichts. Seine Ma und sein
Dad waren alle beide alte Alkis, die ihr Lebtag keinen Finger krummgemacht
haben; schon als kleiner Knirps hat er bei den Nachbarn gefragt, ob er zum
Essen bleiben durfte, weil es zu Hause nix gab. Mitten in der Nacht ist er auf
der Straße rumgelaufen ... Als ich ihn kennenlernte, sagten alle, er würde
todsicher genauso ein Nichtsnutz werden, wie seine Eltern welche waren.« Ihre
Augen waren von der Polierarbeit abgeglitten, hinüber zum Fenster und dem
fallenden Regen. »Aber ich wusste, dass die Leute falschlagen. Er war nicht
schlecht, Jimmy war nicht schlecht, bloß wild. Und er war nicht blöd. Er hätte
was werden können. Er brauchte Guinness nicht, er hätte seinen eigenen kleinen
Betrieb haben können. Er hätte sich nicht jeden Tag rumkommandieren lassen
müssen, das hasste er nämlich. Er ist schon immer gern gefahren. Er hätte
Lieferungen fahren können, mit einem eigenen Lieferwagen ... Wenn dieses Weib
ihn nicht vorher in ihre Krallen gekriegt hätte.«
    Und da war
das Motiv, hübsch verpackt mit Schleife obendrauf, und es passte so wunderbar
zu seinem typischen Verhalten. Da hatte Jimmy Mackey eben noch eine
Spitzenfrau im Arm und einen Spitzenjob in der Tasche gehabt, er war drauf und
dran gewesen, die Zukunft mit beiden Händen zu packen und den Blödmännern, die
ihm das nie zugetraut hatten, den Stinkefinger zu zeigen. Und dann beging er
einen Fehler, nur einen einzigen, und schon kam der brave Matt Daly in aller
Seelenruhe angetrabt und sackte sich Jimmys ganzes Leben ein. Als Jimmy wieder
klar denken konnte, war er mit einer Frau verheiratet, die er nie hatte haben
wollen, steckte in einem Beruf ohne Perspektive, in dem er, wenn er Glück
hatte, ab und an mal ein paar Tage Arbeit ergatterte, und trank mehr, als
selbst Peter O'Toole verkraftet hätte. Mehr als zwanzig Jahre lang hatte er
zugesehen, wie sich sein verlorenes Leben gleich auf der anderen Straßenseite
entfaltete, im Haus eines anderen Mannes. Und dann kam das Wochenende, an dem
Matt Daly ihn demütigte und beinahe hätte verhaften lassen - im Gehirn eines
Säufers, wenn man da überhaupt von »Gehirn« sprechen kann, ist immer ein
anderer schuld —, und er hatte irgendwie herausgefunden, dass Rosie Daly dabei
war, seinen Sohn um den kleinen Finger zu wickeln und ihn Gott weiß wohin
mitzunehmen.
    Und
vielleicht war da noch etwas, etwas noch Schlimmeres. Dad, wie er mich
angrinste, zwinkerte, mich provozierte: Ach nee, die kleine Daly? So ein
süßes Ding. Und was für Titten, meine Fresse ... Meine
Rosie, seiner hübschen Tessie O'Byrne wie aus dem Gesicht geschnitten.
    Er musste
mich also doch gehört haben, als ich durchs Wohnzimmer schlich, in dem sicheren
Gefühl, unantastbar zu sein. Ich hatte hundertmal gesehen, wie er sich
schlafend stellte. Vielleicht hatte er ihr nur sagen wollen, sie solle die
Finger von seiner Familie lassen; vielleicht hatte er mehr gewollt. Aber dann
stand sie vor ihm und schlug ihm förmlich um die Ohren, wie unwichtig es doch
war, was er wollte: Tessie O'Byrnes Tochter, auch

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