French, Tana
zusammen mit der schwachen
Rotfärbung, die ihr in die Wangen stieg. »Das kann doch wohl nicht wahr sein«,
sagte ich. »Du warst in Shay verknallt?«
Wieder ein
Achselzucken, diesmal stärker und trotziger. Die farbenfrohen Mädchen, die
kreischten und rumalberten. Mandy hat gesagt, ich soll dich
fragen, ob dein Bruder Lust hat, ins Kino zugehen ... Ich sagte:
»Ich dachte, Mandy wäre hinter ihm her gewesen.«
»Sie auch.
Wir alle - außer Rosie. Fast alle. Er hätte jede haben können.«
»Du hast
also Rosie verraten, um seine Aufmerksamkeit zu kriegen. Hast du das damit
gemeint, als du zu mir gesagt hast, du hättest sie furchtbar gern gehabt?«
»Das ist
unfair. Ich wollte doch nicht -«
Ich
schleuderte den Aschenbecher in die Glotze. Er war schwer, und ich warf ihn mit
voller Kraft. Der Bildschirm zerbarst mit einem eindrucksvollen Krachen und
einer Explosion aus Asche und Zigarettenkippen und Glasscherben. Imelda stieß
einen Laut aus, der halb Japsen und halb Jaulen war, und drückte sich von mir
weg, einen Arm schützend vors Gesicht gerissen. Ascheflöckchen stiegen in die
Luft, wirbelten herum und landeten auf dem Teppich, dem Couchtisch, ihrer Trainingshose.
»Siehst
du?«, sagte ich. »Ich hab dich gewarnt.«
Sie
schüttelte den Kopf, Panik im Blick. Sie hatte eine Hand auf den Mund gepresst:
Irgendwer hatte ihr beigebracht, nicht zu schreien.
Ich
schnippte ein paar glitzernde Glassplitter weg und nahm mir Imeldas Zigaretten,
die unter einem grünen Knäuel Geschenkband auf dem Couchtisch lagen. »Du
erzählst mir jetzt, was du zu ihm gesagt hast, Wort für Wort, so gut du dich
erinnern kannst. Lass nichts aus. Falls du dir nicht mehr ganz sicher bist,
dann sag das und erfind bloß nicht irgendwelchen Scheiß. Ist das klar?«
Imelda
nickte hastig, noch immer die Hand vor dem Mund.
Ich
steckte mir eine Zigarette an und lehnte mich im Sessel zurück. »Gut«, sagte
ich. »Schieß los.«
Ich hätte
die Geschichte auch selbst erzählen können. Der Pub war irgendwo in der Nähe
der Wexford Street gewesen. Imelda wusste den Namen nicht mehr: »Wir wollten
tanzen gehen, ich und Mandy und Julie, aber Rosie musste früh zu Hause sein -
ihr Dad war auf dem Kriegspfad -, deshalb wollte sie keinen Eintritt für die
Disco zahlen. Also sind wir erst was trinken gegangen ...« Imelda war an der
Theke gewesen, um eine Runde zu holen, als sie Shay entdeckte. Sie hatte ihn
angequatscht — ich sah sie förmlich, wie sie das Haar zurückwarf, die Hüfte
vorschob, mit ihm rumschäkerte. Shay hatte automatisch zurückgeflirtet, aber er
mochte hübschere und weichere und viel zurückhaltendere Mädchen, und als seine
Bestellung kam, hatte er die Gläser genommen und wollte zurück zu seinen
Kumpels an ihrem Tisch.
Sie hatte bloß versucht, sein
Interesse weiter wachzuhalten. Was ist los, Shay? Hat Francis
etwa recht damit, dass du mehr auf Typen stehst?
Das muss der gerade sagen, hatte er
erwidert. Wann hatte der kleine Scheißer denn das letzte Mal eine
Freundin? Und damit hatte er sich zum Gehen gewandt.
Imelda hatte gesagt, Du weißt
eben nicht alles.
Das hatte
ihn aufhorchen lassen. Ach ja?
Die Jungs warten auf ihr Bier. Nun
geh schon.
Ich bin gleich wieder da. Schön
hierbleiben.
Vielleicht mach ich das.
Vielleicht auch nicht.
Natürlich
hatte sie auf ihn gewartet. Rosie hatte über sie gelacht, als sie ihnen in
aller Hast ihre Getränke brachte, und Mandy hatte empört getan (Spann mir
nicht meinen Kerl aus), aber Imelda hatte ihnen den
Stinkefinger gezeigt und war zurück zur Theke geflitzt, wo sie ganz lässig
tat, einen Blusenknöpf aufmachte und an ihrem Bier nippte, bis Shay zurückkam.
Ihr raste das Herz. Er hatte sie vorher noch nie eines Blickes gewürdigt.
Er beugte
sich zu ihr und richtete diesen strahlendblauen Blick auf sie, der ihn nie im
Stich ließ, fläzte sich auf einen Barhocker, schob ein Knie zwischen ihre und
spendierte ihr den nächsten Drink. Als er ihn ihr reichte, strich er mit einem
Finger über ihre Knöchel. Sie zog die Geschichte so weit in die Länge, wie sie
konnte, um ihn bei sich zu halten, aber schließlich lag der ganze Plan vor
ihnen ausgebreitet auf der Theke: der Koffer, der Treffpunkt, die Fähre, das
möblierte Zimmer in London, die Jobs in der Musikbranche, die bescheidene
Hochzeit; alle Geheimnisse, die Rosie und ich über Monate hinweg aufgebaut
hatten, Stückchen für Stückchen, die wir gehütet und in unserem Innersten
bewahrt hatten. Imelda fühlte
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