Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
Vom Netzwerk:
damit sie auch bei einem gewissen Maß an Unruhe und Lärm eine
Nacht lang durchschliefen und trotzdem aufwachten, wenn sie aufwachen sollten.
Shay ging zu Fuß den weiten Weg nach Ballyfermot, wo ihn keiner kannte und die
Polizei niemals Fragen stellen würde, um Bleichmittel zum Saubermachen zu
kaufen. Ich wurde von einer nie da gewesenen Hilfsbereitschaft erfasst und
begann, Ma jeden Abend bei der Zubereitung des Nachtischs zur Hand zu gehen -
Dad machte gehässige Bemerkungen, ich wäre dabei, mich in eine Schwuchtel zu
verwandeln, aber mit jedem Tag kamen wir unserem Ziel näher, und die
Bemerkungen wurden erträglicher. Shay klaute auf der Arbeit eine Brechstange
und versteckte sie unter dem Dielenbrett bei unseren Zigaretten. Wir waren
richtig gut, wir zwei. Wir hatten Talent. Wir ergaben ein gutes Team.
    Vielleicht
bin ich ja pervers, aber ich genoss diesen Monat, in dem wir unsere
Vorbereitungen trafen. Dann und wann hatte ich Probleme mit dem Einschlafen,
aber ein großer Teil von mir fühlte sich sauwohl. Ich kam mir vor wie ein Architekt
oder ein Filmregisseur. Wie jemand mit Weitsicht, jemand mit großen Zielen.
Zum ersten Mal überhaupt arbeitete ich für etwas Großes und Schwieriges, das
jeden, aber auch jeden Einsatz wert war, vorausgesetzt, ich bekam es hin.
    Und dann
bot irgendwer Dad unversehens einen Job für zwei Wochen an, was bedeutete, dass
er nach seinem letzten Arbeitstag um zwei Uhr morgens mit einem Alkoholpegel
nach Hause kommen würde, der jegliche Polizeizweifel im Keim ersticken musste,
und es gab keine Ausflüchte mehr, noch zu warten. Der Countdown hatte begonnen:
Uns blieben zwei Wochen.
    Wir hatten
unser Alibi so oft durchexerziert, dass wir es im Schlaf hätten aufsagen
können. Abendessen mit der Familie, zum krönenden Abschluss ein leckerer
Sherry-Trifle, meinem neugewonnenen Hang zur Häuslichkeit sei Dank - in Sherry
löste sich Valium besser auf als in Wasser, und der Geschmack wurde vom Alkohol
überdeckt. Zudem ermöglichten einzelne Portionen eine individuelle Dosierung.
Danach in die Disco im Grove, drüben auf
der Northside, um das dortige Frauenangebot zu sichten; gegen Mitternacht so
einprägsam wie möglich rausfliegen, weil wir laut und rüpelig waren und
heimlich unser eigenes Dosenbier mitgebracht hatten; zu Fuß nach Hause mit
einem Zwischenstopp am Kanalufer, um unsere eingeschmuggelten Dosen zu leeren.
Gegen drei, wenn die Wirkung des Valiums allmählich nachgelassen haben musste,
Ankunft zu Hause, wo wir zu unserem Entsetzen unseren geliebten Vater in
seinem eigenen Blut am Fuß der Treppe vorfinden. Dann die viel zu späte
Mund-zu-Mund-Beatmung, das wilde Hämmern an die Tür der Schwestern Harrison,
der verzweifelte Anruf beim Notarzt. Fast alles, außer dem Zwischenstopp am
Kanal, würde der Wahrheit entsprechen.
    Wahrscheinlich
wären wir erwischt worden. Naturtalent hin oder her, wir waren Amateure: Es gab
zu vieles, was wir übersehen hatten, und viel zu vieles, was hätte schieflaufen
können. Schon damals war ich mir halb darüber im Klaren gewesen. Aber es war
mir egal. Wir hatten eine Chance.
    Wir waren
bereit. In meiner Vorstellung lebte ich schon jeden Tag als jemand, der seinen
eigenen Dad umgebracht hatte.
    Und dann
gingen Rosie Daly und ich eines Abends ins Galligan, und sie
sagte England.
    Ich
erklärte Shay nicht, warum ich die Sache abblies. Zuerst dachte er, ich würde
mir einen üblen Scherz erlauben. Als ihm dann dämmerte, dass ich es ernst
meinte, geriet er immer mehr außer sich. Er versuchte, mich zu zwingen, mir zu
drohen, er versuchte es sogar mit Betteln. Als das alles nichts brachte,
packte er mich am Kragen, schleifte mich aus dem Blackbird und schlug
mich fürchterlich zusammen - es dauerte eine Woche, bis ich wieder gerade
gehen konnte. Ich wehrte mich kaum; tief im Innern sah ich ein, dass er ein
Recht dazu hatte. Als er sich schließlich ausgetobt hatte und neben mir in der
Gasse zusammensank, konnte ich ihn durch das viele Blut kaum sehen, aber ich
glaube, er weinte.
    Ich sagte:
»Das tut hier nichts zur Sache.«
    Shay hörte
mich kaum. Er sagte: »Zuerst hab ich gedacht, du hättest einfach bloß Schiss
gekriegt. Dass du doch nicht den Mumm dazu hattest, als es ernst wurde. Das hab
ich monatelang gedacht, bis zu dem Moment, als ich mit Imelda Tierney geredet
hab. Da hab ich begriffen. Es hatte nichts mit Mumm zu tun. Dir ist es immer
nur darum gegangen, was du wolltest.
Und sobald du einen leichteren Weg gefunden hattest,

Weitere Kostenlose Bücher