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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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lauter Panik nicht mal mehr schreien. Stattdessen
pinkelte er sich in die Hose. Ich sagte ihm, es wäre nicht schlimm, und
versuchte, die Tür einzutreten, die Bretter mit bloßen Fingern von den Fenstern
zu reißen, und ich schwor mir, Shay eines Tages nach Strich und Faden zu vermöbeln.
    Ich
schwenkte die Taschenlampe in einem langsamen Bogen. Der Keller war noch fast
so wie in meiner Erinnerung, außer dass ich jetzt besser verstehen konnte,
warum unsere Eltern Probleme damit hatten, dass wir uns hier rumtrieben. Die
Fenster waren noch immer zugenagelt, schlampig, denn dünne Strahlen fahles
Licht drangen zwischen den Brettern hindurch. Die Decke hing auf eine Art
durch, die mir nicht behagte, und an den Stellen, wo große Brocken Putz abgebrochen
waren, kamen die Balken zum Vorschein, verbogen und rissig. Die Zwischenwände
waren allesamt eingestürzt, so dass es im Grunde ein einziger großer Raum war,
und stellenweise war der Fußboden bis auf das Fundament eingesackt - vielleicht
hatte die Erde nachgegeben, weil das Haus als letztes in der Reihe auf einer
Seite nicht gestützt wurde. Vor sehr langer Zeit hatte irgendwer einen
halbherzigen Versuch unternommen, ehe er das Haus vollständig aufgab, ein paar
der größeren Löcher im Boden zu flicken, indem er sie mit Betonplatten füllte
und das Beste hoffte. Es roch hier so, wie ich es in Erinnerung hatte - nach
Urin, Schimmel und Dreck -, nur noch stärker.
    »O Mann
...«, brummte Kevin unglücklich am Fuß der Treppe, wo er verharrte. Seine
Stimme hallte bis in die hintersten Ecken, schallte in merkwürdigen Winkeln
von Wänden zurück, so dass es klang, als würde jemand weit weg im Dunkeln
murmeln. Er zuckte zusammen und verstummte.
    Zwei der
Betonplatten waren mannsgroß, und derjenige, der sie da hingelegt hatte, hatte
groben Zement ringsherum in die Ritzen geklatscht, offenbar weil er Wert auf
Qualitätsarbeit legte. Die dritte war noch stümperhafter: bloß ein schiefer
Brocken, vielleicht ein Meter zwanzig mal neunzig Zentimeter, und scheiß auf
den Zement.
    »So«,
sagte Kevin einen Tick zu laut hinter mir. »Du siehst, es ist alles wie gehabt,
und das Haus ist immer noch 'ne Bruchbude. Können wir jetzt bitte gehen?«
    Ich ging
vorsichtig in die Mitte des Raumes und drückte mit einer Schuhspitze auf eine
Ecke der Platte. Sie wurde von jahrealtem Dreck an Ort und Stelle gehalten,
doch als ich drauf trat, spürte ich, wie sie sich ganz leicht bewegte: Sie
schaukelte. Wenn ich irgendetwas zum Hebeln gehabt hätte, wenn auf einem der
Schutthaufen in den Ecken eine Eisenstange oder sonst ein Stück Metall gelegen
hätte, hätte ich die Platte anheben können.
    »Kev«,
sagte ich. »Überleg mal. Die Ratten, die in den Wänden verendet sind: War das
in dem Winter, als ich abgehauen bin?«
    Kevins
Augen weiteten sich langsam. In den trübgrauen Lichtstreifen sah er
durchscheinend aus, wie eine Projektion, die auf einer Leinwand flackerte.
»Ach, Jesses, Frank. Nein, bitte.«
    »Ich
stelle dir eine Frage. Kurz nachdem ich die Biege gemacht habe, Ratten in den
Wänden, ja oder nein?«
    »Frank ...«
    »Ja oder
nein?«
    »Es waren
bloß Ratten, Frank. Hier in dem Haus wimmelte
es davon. Wir haben sie gesehen, zigmal.«
    Somit
wäre, als das Wetter wärmer wurde, nichts mehr übrig gewesen, was einen
massiven Gestank hätte verursachen können, weshalb die Leute sich vielleicht
beim Hausbesitzer oder der Stadt beschwert hätten. »Und ihr habt sie gerochen.
Die Verwesung.«
    Nach einem
Moment sagte Kevin schließlich: »Ja.«
    Ich sagte:
»Komm.« Ich packte seinen Arm — zu fest, aber ich konnte meinen Griff nicht
lockern - und bugsierte ihn vor mir die Treppe hinauf, schnell, spürte unter
den Füßen, wie sich Bretter bogen und splitterten. Als wir nach draußen auf die
Stufen vor dem Haus traten, wo uns kühle, feuchte Luft und Nieselregen
entgegenschlugen, hatte ich mein Handy bereits gezückt und wählte die Nummer
der Kriminaltechnik.
     
    Der
Techniker, der sich am Telefon meldete, klang nicht gerade begeistert,
entweder weil er die Wochenendschicht hatte oder weil er von seinem
bescheuerten Computerspiel weggerissen wurde. Ich sagte, ich hätte
Informationen, die darauf hindeuteten, dass im Keller des Hauses Nummer 16,
Faithful Place, unter einer Betonplatte eine Leiche versteckt worden war -
Nebensächlichkeiten, wie beispielsweise Daten, ließ ich weg -, und fügte hinzu,
dass ich ein Spurensicherungsteam und zwei Uniformierte brauchte und

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