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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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wieder richtig hierher zurückgekommen.«
    »Du hast
was verpasst.«
    »Au ja.«
Kevin blickte sich skeptisch um. Er hatte die Hände in den Taschen und die
Jacke fest um sich gezogen, damit sie mit nichts in Berührung kam. »Ich werd's
überleben. So was wie das hier ist der Grund, warum ich es nicht ertragen kann,
wenn Leute nostalgisch von den Achtzigern schwärmen. Von ihrer Jugend, in der
sie sich zu Tode gelangweilt haben oder mit Stacheldraht gespielt oder in
beschissenen Rattenlöchern gevögelt ... Was hab ich da verpasst?«
    Ich sah
ihn an, wie er dastand mit seinen Ralph-Lauren-Logos und der schicken
Armbanduhr und dem coolen, teuren Haarschnitt, randvoll mit selbstgerechter
Empörung, eine Erscheinung, wie sie deplatzierter nicht hätte sein können. Ich
stellte ihn mir als mageres Kind vor, mit verwirbelten Haaren und in der
geflickten Hose, die er von mir geerbt hatte, wie er in diesem Haus herumtobte,
ohne auch nur auf die Idee zu kommen, es könnte nicht gut genug sein. Ich
sagte: »Das war längst nicht alles.«
    »Was war
denn noch? Was ist so toll daran, sein erstes Mal in einem Drecksloch zu
erleben?«
    »Ich sag
ja nicht, dass ich die Achtziger zurückholen würde, wenn ich die Wahl hätte,
aber schütt das Kind nicht mit dem Bad aus. Und ich weiß natürlich nicht, wie
das bei dir war, aber ich habe mich nie gelangweilt. Niemals. Darüber könntest
du ruhig mal nachdenken.«
    Kevin
zuckte die Achseln und murmelte irgendetwas, das sich anhörte wie: »Ich hab
keinen Schimmer, wovon du redest.«
    »Denk
nach. Dann kommst du schon noch drauf.« Ich ging weiter in die Räume nach
hinten raus, ohne auf ihn zu warten - wenn er im Dämmerlicht mit dem Fuß durch
ein morsches Dielenbrett trat, war das sein Problem. Nach einem Moment kam er
schmollend hinter mir her.
    Nichts
Interessantes in den hinteren Räumen, nichts Interessantes in denen unten, bis
auf eine riesige Sammlung leerer Wodkaflaschen, die jemand anscheinend lieber
nicht mit dem Müll hatte rausbringen wollen. Oben an der Kellertreppe wich
Kevin zurück. »Kommt nicht in Frage. Da geh ich nicht runter. Ehrlich, Frank.«
    »Jedes
Mal, wenn du deinem großen Bruder was abschlägst, tötet Gott ein Kätzchen. Na los.«
    Kevin
sagte: »Shay hat uns mal da unten eingeschlossen. Dich und mich - ich war noch
klein. Erinnerst du dich?«
    »Nein.
Hast du deshalb solchen Schiss hier?«
    »Ich hab
keinen Schiss, Mann. Ich kapier bloß nicht, warum wir uns hier ohne den
geringsten Grund lebendig begraben lassen sollen.«
    Ich sagte:
»Dann warte draußen auf mich.«
    Nach einem
Moment schüttelte er den Kopf. Er folgte mir aus demselben Grund, warum ich ihn
überhaupt hatte mitnehmen wollen: aus alter Gewohnheit.
    Ich war
vielleicht dreimal in dem Keller gewesen, höchstens. Bei uns gab es die
Legende, dass ein Typ namens Schlitzer Higgins seinem taubstummen Bruder die
Gurgel durchgeschnitten und ihn da unten verbuddelt hatte, und wenn du in
Hinkefuß Higgins' Reich eindrangst, kam er dich holen, wedelte mit seinen
halbverwesten Händen und gab furchtbare Grunzgeräusche von sich, was an dieser
Stelle der Erzählung dann eindringlich demonstriert wurde. Die Higgins-Brüder
waren wahrscheinlich eine Erfindung besorgter Eltern, und keiner von uns glaubte
die Geschichte, aber wir setzten trotzdem keinen Fuß in den Keller. Shay und
seine Kumpel lungerten manchmal da unten herum, um zu beweisen, was für harte
Männer sie waren, und mitunter wich ein Pärchen dahin aus, wenn es richtig
scharf aufeinander war und alle anderen Räume anderweitig belegt waren, aber
die richtig guten Sachen liefen oben: die Zehnerpackungen Marlboros und die
billigen Zwei-Liter-Flaschen Cider, die streichholzdünnen Joints und Partien
Strip-Poker, die nie über die Unterwäsche hinausgingen. Als Zippy Hearne und
ich knapp neun waren, forderten wir uns einmal gegenseitig heraus, bis zur
Kellerrückwand zu laufen und sie zu berühren, und ich hatte noch eine
verschwommene Erinnerung daran, einige Jahre später Michelle Nugent mit nach
unten genommen zu haben, in der Hoffnung, sie würde sich vor lauter Angst an
mich klammern und womöglich mit mir knutschen. Das Glück war mir nicht hold.
Schon in dem Alter stand ich auf Mädchen, die sich nicht so schnell Angst
einjagen ließen.
    Und dann
war da noch das eine Mal, als Shay uns beide im Keller einsperrte. Vielleicht
waren wir nur eine Stunde da unten, aber es kam mir vor wie Tage. Kevin war
zwei oder drei, und er konnte vor

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