Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi
Straßen und Plätzen gespannten Leitungen ist es schwieriger. Und wenn’s recht nebelig ist oder stürmt, fliegen wir auch nicht.« Sie dankte nickend.
Die Umstehenden rätselten über den Grund der Landung, doch die meisten zuckten die Schultern und machten sich auf, ihr Tagwerk im Berg zu beginnen.
Elke sah sich um. Von Hubert habe ich während des Spektakels nichts gesehen. Der ist bestimmt schon gewissenhaft unterwegs zu seinem Beinahe-Dreitausender von Hundstod. Ein Wahnsinn. Aber ich werd hier auch nicht warten, bis es neue Nachrichten gibt, dachte sie. Als Polizistin wusste sie, dass die Suche nach ei nem Körper auf einen vagen Hinweis hin Tage dauern konnte.
Als sie sich zum Gehen umdrehte, stand Benny neben ihr. Die Hände in den Taschen, die Schultern hochgezogen wirkte er auf Elke zugleich lauernd und unentschlossen. Sie sah in sein aufgedunsenes Gesicht. Seine Augen blickten unausgeschlafen, die bleiche Haut war schlaff. Mit so einer rotblonden Qualle werde ich nie warm, dachte sie. Ihr fiel der vergangene Abend ein und die Worte, die er mürrisch über seinen Vater und Moni hervorgestoßen hatte. Von Salet am Obersee war er mit ihr aufgestiegen.
Elke erinnerte sich an ihren Traum, in dem sie den Gastronomie-Kritiker bei seinem Abstieg gesucht hatte. Die beiden Pfade, die vom Funtensee entweder über Salet oder die Saugasse zum Königssee führten, schienen sie doch sehr zu beschäftigen. Während sie sich in ihren aufkeimenden Ermittler-Instinkt hineinfühlte, sah sie auf den Wirtssohn neben sich. Der starrte abwesend auf den Hubschrauber. Sein Ohrring blitzte auf. Fast hätte, dräng te sich der Gedanke zwischen ihre Betrachtungen, eine Steinlawine die Moni erschlagen. Elke überkam ein Frösteln. Sie schüttelte sich und verließ, ohne Benny weiter zu beachten, den improvisierten Flugplatz. Sie hatte beschlossen, ihrer inneren Stimme zu folgen.
Im Hausflur fiel ihr Blick erneut auf das Hüttenbuch. Neue Einträge waren dazu gekommen und ihre Finger glitten die großen Seiten entlang. Sollte sie auch? Noch im Blättern war Elke mit sich einig. Nein, kein Eintrag. Was sie jetzt machte, brauchte erst mal keiner mitbekommen. Aber Hubert?, überlegte sie. Würde er ihr Lager heute Abend leer vorfinden, könnte er sie suchen lassen. So viel Aufmerksamkeit war nicht wünschenswert. Sie wiegte den Kopf von links nach rechts und traf eine Entscheidung.
Auf ihrem Zimmer steckte sie ihre Zahnbürste, ein frisches T- Shirt samt Wechselhemd und ihr Telefon in den Tagesrucksack, falte te ein Papiertaschentuch auf und notierte eine Nachricht, die sie auf ihren Schlafsack legte. Sie war sich sicher, dort würde Hubert eher etwas finden als auf seinem eigenen, den er wohlmöglich angetrunken im Halbdunkel aufsuchte.
An der Theke füllte ihr die ältere der bosnischen Küchenhilfen in ihrem düster gemusterten Kittel Tee ab. Niemand fragte, wie Elke ihren Tag verbringen wollte. Ihr kam das sehr entgegen.
Geröll
Nachdem Elke die Richtung runter nach Salet eingeschlagen hatte, führte der Weg steil über flechtenbewachsene Brocken und Baumwurzeln abwärts. Die Wipfel der Zirbelkiefern wiegten sich im Wind, die Luft war voller Würze. Als sie zwischen Baumstämmen hindurch das schillernde Wasser des kleinen, tiefer liegenden Grünsees sah, hielt sie inne. Ein Bild wie zum Meditieren, dachte sie und lauschte. Entfernt rauschte ein schmaler Wasser fall vom Felsmassiv gegenüber in den See. Sonst war um sie he rum nur die Stille der Berge.
Den ganzen Weg hatte sie aufmerksam Äste und Felsen im Blick, die offensichtlich frisch abgebrochen oder niedergestürzt waren. Ihre Gedanken kreisten um Bennys Schilderung. Ob sie die Stelle wohl finden könnte? Elke war skeptisch. Die Natur war hier überall in Bewegung, nichts schien am Platz zu bleiben.
Das steile Abwärtsklettern über Brocken hinweg begann, in den Knien zu schmerzen. Gott sei Dank konnte sie sich auf ihre Teleskopstöcke stützen. Nicht auszudenken, ich wanderte ohne, dachte sie, da müsste ich nach der Hälfte des Weges aufgeben. Der führte durch enge Spalten und schmale Waldkessel dem Königssee zu, um sich nach ungefähr zwei Stunden im Zickzack in die waldige Tiefe zu schlängeln. Teilweise war der weitere Verlauf nicht mehr zu erkennen, durch Steinbrocken und Farne verstellt. Elke ging langsamer, um den Untergrund mit besonderer Sorg falt zu beäugen.
Plötzlich schreckte sie auf. Blutstropfen auf einem Fels leuchteten aus dem grünlichen
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