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Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi

Titel: Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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erschienen ihr die eigenen Gedanken nun. Davon, dass der Weg runter nach Salet versperrt sei, hatte Elke nie gehört. Jedenfalls nicht im wachen Zustand.
    Trau deinem Instinkt, wenn er sich rührt, hatte sie im Laufe ihres Polizeilebens gelernt. Gib deinem Bauchgefühl nach, wenn es dir Misstrauen signalisiert. Damit war sie bisher immer sehr erfolgreich gewesen. Man musste nur den Mut haben, diesen Gefühlen Folge zu leisten. Mit dem Kritiker war was faul, inklusive seinem angeblichen Abstieg. Aber diesen Gedanken wollte sie nicht laut diskutieren, schon gar nicht mit Hubert. Grübelnd kam sie aus dem Waschraum zurück, zog sich wanderfertig an und machte sich zum Frühstück auf. Ihr Zimmergenosse hatte auf sie gewartet.
    Am Stubentisch sitzend, eine mit Marmelade dünn bestrichene Scheibe Graubrot in der Hand, sah Elke vor sich hin. Diese ganzen Bergfreunde hier oben, meistens ja Männer, konnte man gut in wenige Schubladen ordnen, dachte sie. Ihr gegenüber saß Hu bert. Der gehörte zu den sportlich-ausdauernden Funktionswäschestinkern. Drahtige Erscheinungen mit Dreitagebart und immer den nächsten Gipfel anpeilend.
    An einem Nachbartisch saßen zwei Vertreter der Nazifrisur- Hausmeister-Riege. Oft ältere Herren mit stark ausrasiertem Nac ken und einem Blick, der unaufhörlich die Einhaltung aller Regeln forderte. Sie schienen von Strenge und Humorlosigkeit beherrscht. Oft waren das dann auch noch Schwaben.
    Am grünen Kachelofen saß ein ganz unappetitliches Exemplar der dritten Gruppe, ein ausgewachsenes Alpenfrettchen. In der Stadt wär der Mann als Penner durchgegangen. Fettig-unge kämmte Haare, ein ungepflegter Bart, und die Mischung aus Loden­ janker und speckigem Trachtenhemd wirkten schlampig und zugleich verschroben.
    Andererseits, dachte sie, wie um sich und ihre negativen Gedan­ ken zur Ordnung zu rufen, gibt es auf diesen Alpenhütten keine Ausländer. Wenigstens keine, denen man das ansieht. Einen Mo ment genoss sie diese Erkenntnis und erinnerte sich an all die gemeinhin südländisch genannten Typen, die ihren dienstlichen Alltag viel zu oft querten. Rechtsbrecher mit haselnussbraunen Augen und schwarzem, gegeltem Haar. Wir leben in einer gemei­ nen Welt, bedauerte sie ihre Überlegungen. Wie war es nur so weit ge kommen, dass sie ausländerfreie Hütten für etwas Positives hielt, wenigstens in diesem Moment? Noch einmal sah sie sich die Bergwanderer an. Bitte, lasst uns mit diesen Deutschen nicht allein, griemelte sie wie zur Versöhnung in sich hinein.
    Wenige der Leute hier, dazu gehörten die meisten Frauen und einige ihrer Begleiter, passten in eine vierte Kategorie, in die Elke sich selbst auch einsortierte. Die Genusswanderer. Gipfelsturm musste für die nicht sein, jeder Ausblick auf eine weite Landschaft ließ deren Herz blühen. Die Kleidung war zweckmäßig, ohne irgendein Fetisch zu sein. Es war die Gruppe derer, die sich oft verliefen, die Kräfte falsch einteilten und die zu spät losgingen. Die Genießer wurden von keinem Vertreter der anderen Kate­go­ rien ernst genommen. Dafür, tröstete sich Elke bei ihrer Selbstreflexion, riechen wir besser. Sie wärmte sich an ihrem Becher Kaffee und sah Hubert zu, wie er ein Stück mitgebrachten Käse in kleine Würfel schnitt, um sie dann mit dem Taschenmesser aufzuspießen und in den Mund zu schieben.
    »Was hast du denn heute auf dem Programm?«, fragte Elke, um sich geistig wieder dem Wandern anzunähern.
    »Ich denk, ich geh auf den Großen Hundstod. Der liegt gut zwei Stunden hinterm Ingolstädter-Haus und hat 2593 Meter Höhe. Mal sehn. Vielleicht schwenkt auch das Wetter um, noch sieht es ja so aus, als würde es schön. Kann sein, ich komm nicht so weit. Gibt ja auch den Kleinen Hundstod direkt bei der Berghütte, der ist aber dreihundert Meter niedriger.«
    Elke nickte versonnen. Nein, so eine Wanderung musste nicht sein. Ihr Ziel war herztröstende Abgeschiedenheit, keine Höhen­olympiade. Der Weg hier herauf zum Funtensee war Gipfelanstieg genug gewesen.
    »Und du? Versuchs doch mal mit dem Baumgärtlweg. Gehst am See geradeaus vorbei in den Kessel hinein. Du wirst sehn, es ist ein Traum. Oben dann geht’s weiter zum Riemannhaus. Eine lockere Runde ist das.«
    »Ja, die Moni hat mir das auch schon ans Herz gelegt. Mal sehen.« Nach einem Moment, in dem beide vor sich hinstierten, stand Elke auf und wühlte in dem Stapel der Gesellschaftsspiele. »Arbeitest du nicht bei der Zeitung in Berchtesgaden?« Sie reich te ihm

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