Frettnapf: Roman
wisse, wer das sei. Ich verneine und erfahre, dass es sich bei dem verständnisvollen Mann mit der lauten Partnerin um Ariel Abrahams handelt, ein sehr einflussreiches Mitglied der Jüdischen Gemeinde.
» Soll ich mich irgendwie bei ihm entschuldigen?«
» An besten, du verpisst dich ein bisschen. Ich klär das. Und wenn ich jetzt wegen dir Stress mit ihm hab, bleibst du besser verpisst. Oder ich–«
» Bitte keine Drohungen.«
» Doch, sonst nimmst du mich nicht ernst.«
» Mach ich! Echt.«
» Ja, machst du besser.« Hondo mustert mich für eine lange Sekunde. » Oder ich werd übel sauer.«
» Wie?«, frage ich leicht enttäuscht. » Das ist alles? Du willst mich nicht vierteilen, hängen, kaputt schlagen oder mir die Finger abbrechen?«
» Nein, weil dann bin ich sauer, und da hab ich halt keine Kontrolle, was ich mach. Vielleicht bind ich dich dann an mein Auto und schleif dich zu Ikea.«
Endlich mal ein Ikea-Spruch, der weder lustige Möbelnamen noch fehlende Schrauben beinhaltet. Bleibt die Frage, wie ich nun mit dem neu einquartierten Vater verfahren soll. Dass Aylin schon ihren Segen erteilt hat, behalte ich jedoch für mich, denn es wäre unklug, Hondo jetzt auch noch in dieser Hinsicht zu kompromittieren.
» Okay. Das Problem ist, dass mein Vater gerade zu Hause rausgeflogen ist, und, na ja, ich dachte, vielleicht kann er mit mir im Kanu, nur für ein, zwei Nächte…«
» Ey, was geht mit deiner Familie? Dass du prall bist, weiß ich ja, aber dass dein Vater auch so prall ist. Mann! Hast du das von ihn geerbt, oder was?«
» Wahrscheinlich.«
» Ja, gut. Ich folge Abraham, und deswegen ist mein Haus auch für deinen Vater offen«, sagt Hondo extra laut. Vielleicht hofft er, dass der berühmte Nachbar uns belauscht.
» Danke.«
Ich will mich gerade umdrehen, da sehe ich hinter Hondo eine komplett nackte Malea durch den Flur huschen.
Familienmesse
»Die Baby plus Kids ist die Rundum-Sorglos-Veranstaltung für alle Eltern von der Schwangerschaft bis zum ersten Schultag.«
Irgendwie hat mich mein Verpissen ins Glockenbachviertel geführt, vielleicht war es auch mein Unterbewusstsein. Mit einem Cappuccino aus einem fragwürdigen Schokoladenladen in der Hand stapfe ich die Jahnstraße hinauf. Wo ich schon mal in der Gegend bin, könnte ich eigentlich bei meinem Patenkind in spe vorbeischauen. Diesen Vorschlag muss ich mir nicht zweimal machen. Maren und Ralf, die Eltern des Kindes, das unter Zuhilfenahme meiner letzten Samenspende entstanden ist, wohnen nur ein paar Häuser weiter. Vor ein paar Wochen hat Emil-Noel (dessen zweifelhafter Name sich nur schwer mit meiner Patenschaft vereinbaren lässt) endlich das Licht der Welt erblickt, natürlich im Dritten Orden, obwohl ich nicht verstehen kann, wie die beiden dort einen Platz bekommen haben, sie waren dort nämlich zwölf Wochen vor dem Geburtstermin noch nicht angemeldet. Alleine schon das herauszufinden, würde einen Besuch rechtfertigen.
Ich klingle bei den beiden, unsicher, wie der Empfang sein wird. Jessi und ich haben die beiden nur einmal seit Emil-Noels Geburt getroffen, der ganze Kontakt ist eher in einer Art Winterschlaf. Was unter anderem daran liegen kann, dass ich eine Zeit lang überzeugt war, Maren für mich gewinnen zu müssen, da Emil rein biologisch mein Kind ist. Meine Versuche, sie und Ralf auseinanderzubringen, waren allerdings recht idiotisch und rückblickend nur auf meinen Schockzustand zurückzuführen, den die Kastration durch Idi Amin hervorgerufen hatte. Am Ende hat das auch alles keine Früchte getragen, mich aber mit Jessi zusammengeführt– wofür ich Maren wohl mein Leben lang dankbar sein werde. Vorausgesetzt, wir bleiben zusammen.
Der Türöffner brummt, ich betrete das Haus und kurz darauf die Wohnung der Heinzes. Es riecht komisch, und eine gestresste Maren ruft mir aus dem Wohnzimmer zu, dass ich das Paket einfach im Flur abstellen und selbst irgendwas auf mein Unterschriftendingsbums kritzeln soll, das wie Heinze aussieht. Sie kann gerade nicht, verdammt noch mal, jetzt ist er wach. Ein herzzerreißendes Heulen tönt plötzlich durch die Wohnung, schnelle Wellen kurzer, aufgeregter Brüller, die nur von Emil-Noel kommen können.
» Sind Sie immer noch da?«, fragt Maren und tritt mit dem winzigen Brüllgerät auf dem Arm in den Gang. Ich lächle sie entschuldigend an.
» Was machst denn du schon hier?«
» Ich bin jetzt bei DHL «, witzle ich.
» Wie? Echt?«, staunt Maren, die gerade Besseres zu
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