Frettnapf: Roman
köhnt«, wienert er mir sehr, sehr schlecht entgegen. Falls er mit seinem Kaffeehaushass noch nicht alle Wiener gegen sich aufgebracht hat, sollte seine miserable Sprachperformance auch den letzten Österreicher dazu bewegen, ihn des Landes zu verweisen. Dass er aber den legendären Kutscher Hans hierher bestellt hat, der nun mit einem seiner schönen Wägen auf das Hochzeitspaar wartet, sichert Sven in München definitiv eine lebenslange Zufluchtsstätte, ganz egal, in welchem Land der Welt er gerade gelyncht werden soll.
Ich habe am Eingang eine Tüte mit Luftschlagen und Reis deponiert, obwohl extra darum gebeten wird, auf das Reisgeschmeiße zu verzichten, und verteile den Inhalt an die aus dem Standesamt quellenden Gäste. Mit Sven kann ich mich nur ganz kurz austauschen, kriege jedoch immerhin mit, dass er schon nach vierzehn Tagen sicher ist, eine sehr große Fehlentscheidung getroffen zu haben. Radfahren ist nicht sein Ding, der Hintern tut ihm weh, und er ist kurz davor, sich ein altes Auto zu kaufen, um damit die Tour fortzusetzen.
» Aber eins mit Stauraum, einen alten V W Bulli oder so, weil das Rad muss mit, sonst kann ich ja nicht bei den Weltumradlern schlafen.«
» Super Plan. Oder schau einfach, ob es nicht auch ein Forum für Leute gibt, die mit dem Auto die Tour machen, und ändere den Zahlencode an deiner Haustür.«
Sven schafft es nicht mehr, darauf zu antworten, denn Jessi gesellt sich zu uns.
» Sie kommen!«
Unter dem Applaus der Anwesenden treten Aylin und Hondo auf die Mandlstraße, es fliegen Konfetti und Luftschlangen, irgendwer öffnet eine Flasche Champagner, und ich werfe den beiden auch eine Hand Reis entgegen. Scheiß auf die Tauben, die müssen langsam wissen, dass man hier in der Gegend nichts essen sollte.
» Au!«, brüllt Aylin und hält sich ihr rechtes Auge.
» Welcher Mongo schmeißt mit Reis, ey? Geht’s noch? Da kann man blind von werden!«
Ich stecke unauffällig den Rest in meine Jacketttasche und nehme Jessi in den Arm, um noch unauffälliger zu wirken. Aylin scheint in Ordnung zu sein, sie blinzelt nur noch, und da ihr Gesicht sowieso tränenüberströmt ist, machen die paar zusätzlichen Tropfen auch nichts mehr aus.
Unter » Mazel tov!«-Rufen wird Champagner in Pappbechern herumgereicht, ich sehe zu Jessi, um zu fragen, ob sie auch einmal nippen will, und erkenne sofort, dass es ihr nicht gut geht. Sie ist vollkommen verspannt und hält sich den Bauch. Dann weiten sich plötzlich ihre Augen, der Atem stockt ihr, und sie kneift die Beine zusammen.
» Mein Wasser!«, flüstert sie mir zu, doch ich verstehe sie nicht richtig durch den Lärm um uns.
» Was?«
» Meine Fruchtblase!«
» ???«
» Das Baby kommt, verdammt noch mal!«, schreit sie schließlich und killt damit ein wenig den Moment. Sie ist mit einem Mal das Zentrum der Aufmerksamkeit, alle halten inne.
» Keine Sorge, so eine Geburt kann Stunden dauern«, versuche ich alle zu beruhigen. » Ich ruf ein Taxi und dann fahren wir–«
» Ahhhh!«, brüllt Jessi und krampft sich zusammen. Das dürften die ersten Wehen sein. War klar, dass es bei uns wieder schnell und chaotisch gehen muss, nicht langsam und geregelt.
» Springt’s auf«, ruft uns Hans zu, » da ist eine Geburtsklinik auf der anderen Seite vom Park!«
Er meint sicher die Frauenklinik Dr. Geisenhofer am Englischen Garten, die wir auch auf unserem Zettel hatten. Sie ist nur fünfhundert Meter von der Praxis meines Ex-Samenarztes Dr. Parisius entfernt, aber das tut gerade nichts zur Sache. Ich stütze Jessi auf der einen Seite, Hondo auf der anderen.
» Hey, geh zurück zu deiner Frau, ich packe das schon.«
» Null, du bist zu schwach.«
Tatsächlich hebt er meine schwangere Freundin einfach an und steigt mit ihr souverän in die Kutsche. Dann springt er wieder raus, ich klettere rein, Hans schwingt seine Peitsche, und Sandro trabt los. Wir biegen rechts in den Englischen Garten ein, passieren die Stelle, an der wir uns vor einem halben Jahr getrennt haben, überqueren eine kleine Brücke. Jessi hält sich an mir fest und muss plötzlich lachen.
» Gemein wäre es, wenn ich das nur vorgetäuscht hätte.«
» Na ja, sie haben unsere Trauung bekommen, da ist es nur fair, dass wir ihre Kutsche nehmen.«
Dann erstickt eine weitere Wehe Jessis Lachen. Hans lenkt die Kutsche auf einen breiteren Weg und lässt Sandro einen Gang zulegen. Mit einem Peitschenknall steuern wir auf eine Zukunft zu dritt zu. Matilda will
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