Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
ich kommen?“
„Sicherheitshalber erst um neun. Diesmal wird hoffentlich nichts dazwischen kommen.“
„Hoffentlich.“
Mir war völlig klar, dass ich mich bei Internet-Consulting nicht als Journalistin zu erkennen geben durfte. Kurz dachte ich daran, Vesna einzuschalten. Allerdings: Dass man einer bosnischen Putzfrau dort erzählen würde, was ich wissen wollte, war zweifelhaft. Auch ihr Auftritt als slowenische Botschafterin schien bei der Internetfirma wenig Erfolg zu versprechen. Ich konnte nur hoffen, dass der junge Bernkopf kein Foto von mir aufgelegt hatte. Einen Steckbrief. „Wanted: Mira Valensky“. Ich muss gelacht haben. Jedenfalls starrte mich mein Visavis in der U-Bahn empört an. In der Wiener U-Bahn gab es offenbar nichts zu lachen.
Es war Mittagszeit. Wenn ich Glück hatte, war Bernkopf junior essen gegangen. Ich stand unter dem Bürogebäude im ersten Bezirk und rief in der Firma an. „Berner da. Könnte ich bitte Herrn Bernkopf sprechen? Ich habe einen Termin mit ihm.“
„Herr Bernkopf ist bei Tisch.“
„Es ist wichtig, wenn er im Haus ist, dann sagen Sie ihm bitte, dass ich am Apparat bin.“
„Er ist außer Haus.“
„Wann kommt er wieder?“
„So gegen fünfzehn Uhr, aber es wird sehr schwer sein, heute zu ihm durchzukommen. Er ist sehr beschäftigt. Vielleicht kann ich Sie zurückrufen? Worum geht es?“
Eine gut geschulte Sekretärin. Ich legte auf. Ich konnte nur hoffen, dass ihr Chef tatsächlich außer Haus war.
Wen würde die Sekretärin am wenigsten schnell abwimmeln? Eine potentielle Kundin? Ich wusste gar nicht genau, was diese Firma tat. Ich hätte mich vorher erkundigen sollen. Einen Vertreter? Wofür? Jemanden, der für einen wohltätigen Zweck sammeln ging? Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht jemanden, der sich um einen Job bewarb. Allerdings hatte ich von den Feinheiten des Internet wenig Ahnung, ich konnte im Internet surfen, aber wer konnte das nicht? Vesna hatte sich beim Wohltätigkeitsempfang in der Birkengasse perfekt verstellt. Ich würde mich als Putzfrau vorstellen. Wenn Vesna als slowenische Botschafterin durchgegangen war, warum dann nicht ich als Putzfrau? Man muss nur behaupten es zu sein und schon funktioniert es, hatte Vesna gesagt. Also.
Ich stopfte meine dünne Seidenjacke in die große Handtasche. Jeans und T-Shirt. Damit konnte man beinahe alles sein, mit Ausnahme des Papstes vielleicht, aber auf diesen Job hatte ich ohnehin wenig Lust.
Die Tür ging automatisch auf. Ich würde mir spontan eine Geschichte ausdenken müssen. Einige Räume zweigten vom Gang ab, ein paar der Türen standen offen. Zwei Männer saßen über einen Computer gebeugt, eine Frau aß einen Apfel. Hier gab es wenig Publikumsverkehr, keine der weiß lackierten Türen war beschriftet. Ich klopfte auf gut Glück an die Tür am Ende des Ganges. Richtig geraten. Das war das Sekretariat.
„Entschuldigen Sie“, begann ich schüchtern.
„Ja?“ Eine schlanke Rothaarige in meinem Alter wandte sich mir zu.
„Ich habe gehört, dass hier eine Stelle frei ist.“
„Da täuschen Sie sich. Bei uns ist nichts frei.“
„Man hat mich hergeschickt. Für eine Stelle als Bedienerin. Aber ich kann auch Akten schlichten und solche Dinge machen. Oder zur Post gehen.“ Ich hoffte, dass ich meine Unterwürfigkeit nicht übertrieb. Vesna würde die Vorstellung mit Sicherheit nicht gefallen, aber sie war ja auch nicht für sie gedacht.
„Da sind Sie falsch informiert worden.“
Ich seufzte abgrundtief. „Es ist nicht mehr auszuhalten. Eine Absage nach der anderen. Den ganzen Tag bin ich schon wieder unterwegs, weil man mir gesagt hat, ich soll mich nicht bloß auf Bewerbungsbriefe verlassen. Haben Sie ein Glas Wasser für mich?“
Sie nickte mitleidig, ging zu einem Kühlschrank und kam mit einem vollen Glas wieder. „Hier.“
„Verzeihen Sie“, sagte ich, „ich wollte Sie nicht belästigen. Aber ich brauche so dringend einen Job, dass ich schon beinahe zu allem bereit bin. Mein Mann hat sich scheiden lassen und ist mit einer Freundin ins Ausland. Jetzt stehe ich mit meinen drei Kindern da. Überall sind nur Schulden und ich habe nie außer Haus gearbeitet, seit ich die Kinder bekommen habe. Dabei habe ich sogar maturiert. Aber beim Arbeitsmarktservice hat man mir gesagt, ich soll es vorerst als Reinigungskraft versuchen. Und dann Kurse machen. Aber auch das scheint nicht zu funktionieren.“
„Das tut mir sehr Leid“, antwortete die Sekretärin. Offenbar hatte ich
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