Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
ungeduldig.
„In Ordnung. Das müsste sich machen lassen. Ich rufe dich zurück.“
„Wie lange wird es dauern?“
„In zehn Minuten kommt eine wichtige Klientin. Ich versuche, es noch vorher zu schaffen. Okay?“
„Danke.“
Erst als er schon aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass ich mich nicht einmal nach der Geiselaffäre erkundigt hatte. Geschweige denn sonst irgendetwas Nettes zu ihm gesagt hatte. Obwohl ich ihn wirklich nett fand. Was war das für eine „wichtige Klientin“, von der er gesprochen hatte?
Ich zeichnete Robbenköpfe auf meine Schreibtischunterlage und überlegte. Bernkopf junior hatte für den Tag, an dem Jane ihre Wohnzimmerfotos schoss, offenbar ein gutes Alibi. Hatte Zuckerbrot ihn für die Morde überhaupt in Betracht gezogen? Warum auch?
Bernkopf juniors Alibi für die Mordzeit war um nichts besser als das seiner Eltern. Ich würde herausfinden müssen, was er getan hatte, bevor er zum Essen kam. Offenbar stand sein Auto doch nicht aus reiner Sohnesliebe so oft in der Birkengasse, sondern weil er vom Wohlwollen seiner Eltern abhängig war. Sollte ich Zuckerbrot erzählen, dass Bernkopf junior in finanziellen Schwierigkeiten steckte? Es war nur ein Gerücht. Besser, zuerst selbst nachzuforschen. Ich hatte keine besondere Lust, ihm nach unserem letzten Auftritt freiwillig Informationen zu liefern.
Ich starrte auf das Telefon. Ich würde Oskar noch einmal zum Essen einladen. Etwas Besseres fiel mir nicht ein? Wahrscheinlich hatte er gar kein Interesse an mir. Ein viel beschäftigter Anwalt. Mit wichtigen Klientinnen. Ich dachte an eine elegante junge Frau mit blondem Lockenkopf und einem eng sitzenden Nadelstreifkostüm. Verdammt, warum rief er nicht an und erzählte mir, was mit dem Haus in der Birkengasse los war?
Droch. Besser, er würde Zuckerbrot nicht von Bernkopfs Auftritt in der heutigen Redaktionssitzung erzählen. Ich wusste, dass die beiden sich regelmäßig zum Mittagessen trafen. Ich starrte weiter auf mein Telefon, während ich durch das Großraumbüro ging und an Drochs Tür klopfte.
„Ja?“
„Ich muss mein Telefon im Auge behalten, also wundere dich nicht.“
„Ich dachte, Telefone arbeiten mit akustischen Signalen.“
„Aber wenn ich es ansehe, kann ich es besser läuten hören.“
Er hatte schon damit begonnen, etwas über Logik und Frauen zum Besten geben, als ich ihn stoppte. „Bitte erzähle Zuckerbrot noch nichts von Bernkopf. Ich möchte mit seiner Sekretärin bei dieser Internetfirma reden. Wenn sich zuvor schon die Polizei gemeldet hat, ist es sinnlos.“
„Warum sollte sich Zuckerbrot für den jungen Bernkopf interessieren?“
„Offenbar steckt er bis zum Hals in Schulden. Seine Eltern sollen für ihn finanziell geradestehen. Zumindest hat der Chefredakteur so ein Gerücht gehört. Das Haus könnte als Sicherheit dienen. Schon Medienberichte, dass jemand darauf Anspruch erhebt, könnten seine Gläubiger nervös machen. Und den Börsengang seiner Firma verhindern.“
„Zuckerbrot sollte davon erfahren.“
„Natürlich. Aber es ist besser, ich versuche zuerst mit der Sekretärin oder einem der Mitarbeiter seiner Firma zu reden.“
„Ich treffe Zuckerbrot übermorgen.“
„Kein Problem, übermorgen kannst du ihm alles erzählen. Ich weiß nicht, ob Bernkopf seine Belegschaft vor mir warnt. Je schneller ich bin, desto besser. Ich warte jetzt nur noch auf eine Auskunft vom Grundbuch und dann sause ich los.“
„Sei vorsichtig.“
„Das höre ich momentan dauernd.“
Mein Telefon klingelte. Ich hetzte hin und hob ab.
„Die Hälfte des Hauses gehört einem Friedrich Bernkopf. Die andere Hälfte hat bis vor einem Jahr Anna Bernkopf gehört, jetzt ist sie auf Michael Bernkopf eingetragen.“
Ich atmete lautstark ein. Das war noch besser, als ich gedacht hatte.
„Michael Bernkopfs Haushälfte ist bis über das Dach verschuldet. Er wird monatlich ganz schön viel hinblättern müssen, um die Kredite abzuzahlen. Die andere Hälfte des Hauses ist unbelastet.“
„Du hast mir enorm geholfen.“
„Worum geht es eigentlich?“
„Kommst du zum Essen? Ich erkläre es dir. Kann sein, dass es heute aber nur etwas Käse gibt. Ich habe eine Menge zu tun. Aber ich kann dir dann vielleicht auch eine Menge erzählen.“
„Ist Michael Bernkopf der Sohn?“
„Ja, ist er. Gratuliere noch zur Aktion in Berlin. Ich war richtig stolz, als ich dich gestern um Mitternacht im Fernsehen gesehen habe.“
„Wirklich?“
„Und ob.“
„Wann soll
Weitere Kostenlose Bücher