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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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reagierte eindeutig enttäuscht, als ich auf dem Weg zu meiner Wohnung bei ihr Halt machte und erzählte, dass ich meinen Kurzurlaub auf unbestimmte Zeit verschieben müsse. „Sie Arme“, sagte sie dann und tröstete mich mit einem enormen Keksteller. „Ich habe besonders viele von den schokogetunkten aufgelegt, die haben Sie ja so gerne.“ Mir war ohnehin nach Süßem zumute, auch wenn ich Frau Schneider im Verdacht hatte, bei den Keksen weniger an mich als an Gismo gedacht zu haben.
    Ich nahm den Teller, ging nach oben und nahm mir vor, demnächst ein oder zwei Stunden mit der alten Dame zu plaudern. Abgesehen von den kurzen Besuchen ihrer Enkelkinder war sie fast immer allein.
    Kaum hatte ich den Teller aus Sicherheitsgründen ganz oben auf das Küchenregal gestellt, läutete das Telefon. Ich klemmte mir den Hörer unter das Kinn und schlüpfte gleichzeitig aus meinen Schuhen. Joe. Aus Australien. Die Aufzeichnung der Show sei hektisch wie überall auf der Welt, von Kängurus habe er in Sydney noch nicht viel gesehen. Er vermisse mich und wolle mit mir Urlaub in Australien machen, nicht jetzt, später einmal. Ich setzte mich auf den Vorzimmerteppich, lehnte meinen Rücken an die kühle Wand und genoss seine angenehme dunkle Stimme. Ja, vielleicht würden wir in Australien Urlaub machen. Wie war dort überhaupt die Küche? Die Frage irritierte ihn. In puncto Kochen und Essen war meine Leidenschaft deutlich stärker als seine. Ich beschloss, ihm nichts von der Sache im Freud-Museum zu erzählen. Es hätte ihn nur beunruhigt, mich in der Nähe eines Mordfalls zu wissen. Und er hätte mir nicht geglaubt, hätte ich ihm versichert, dass ich den Fall diesmal den Sicherheitsbehörden exklusiv überlassen wollte.
    Als er nach einigen samtigen Liebesworten aufgelegt hatte, blieb ich mit dem Telefonhörer in der Hand auf dem Vorzimmerteppich sitzen. Warum nur kann man über das Telefon viel leichter „ich liebe dich“ oder zumindest „ich dich auch“ sagen als von Angesicht zu Angesicht? Und warum hatte ich den Eindruck, dass es so ähnlich klang wie in den Liedtexten der Volksmusikshows, die er moderierte? Aber das konnte ich ja nächste Woche meinen Psychotherapeuten fragen. Ich grinste. Gismo kam und hielt es für eine gute Idee, sich auf meinen Beinen niederzulassen. Ich schubste sie weg, rappelte mich auf, ging in die Küche und belohnte sie und mich mit je einem Schokoladenkeks. Heute war mir nach Gesellschaft. Ich musste nicht allein sein, wenn ich nicht wollte. Ich würde eine meiner Freundinnen anrufen und mit ihr durch die Lokale der Wiener Innenstadt ziehen. Früher hatte ich das häufig gemacht. In den letzten Jahren hatte es mich zunehmend gelangweilt, an immer denselben Plätzen dieselben Menschen zu treffen, die immer nur dasselbe sagten. Damit hatte ich beruflich genug zu tun. Vielleicht sollte ich daran denken, aufs Land zu ziehen.
    Eine meiner Freundinnen hatte sich gemeinsam mit ihrem Mann ein Haus im Weinviertel gekauft und schwärmte vom Leben auf dem Land. Ich hatte mit Joe einen weinseligen Abend bei einem Heurigen in ihrem Ort verbracht. Der Heurige war einfach und echt gewesen, nicht eine dieser Touristenfallen, wie ich sie aus Wien kannte. Und dann hatte der Heurigenwirt weitererzählt, dass der berühmte Volksmusikmoderator Joe Platt mit einer unbekannten Frau bei ihm eingekehrt war. Das hatte eine Menge Komplikationen ausgelöst. Ich schüttelte mich. Raus mit mir. Ich war ein Stadtmensch. Ich brauchte Leben rund um mich, weder echte noch falsche Idyllen. Mit Begeisterung hatte ich für zwei Jahre in New York gelebt, zurückgekehrt bin ich bloß wegen einer zerbrochenen Beziehung. Ich war eben noch sehr jung gewesen, Mitte zwanzig. Damals allerdings war mir das gar nicht als so jung erschienen. Alles eben eine Frage des persönlichen Blickwinkels. Wien war für mich gerade die richtige Mischung aus Großstadt und Provinz. Punkt.
    Sonja hatte Zeit und wir verabredeten uns für neun bei einem neuen Italiener im ersten Bezirk, gleich hinter dem Stephansdom. Es wurde ein langer Abend. Zuletzt landeten wir in meinem Lieblingsjazzlokal. Werner, ein sechzigjähriger, bärtiger Jazzfreak legte auf. Freddy, etwa gleich alt und wie immer ganz in Schwarz, tanzte zu einer der schönsten Nummern von Miles Davis mit seiner Langzeitverlobten, einer molligen Boutiquebesitzerin. Perfekte Übereinstimmung zwischen Bewegung und Klang. Jahrzehntelange Vertrautheit mit der Musik und dem eigenen Körper,

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