Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
alt und dein Peter war kein Lustgreis.“
„Du hast ja Recht. Jedenfalls war er mit ihr zweimal abendessen und er hat ihr einige Gebäude entlang der Ringstraße gezeigt. Am nächsten Tag wollte er mit ihr auf die Donauinsel fahren. Kein Wunder, dass er keine Zeit mehr für mich hatte.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Und jetzt ist er tot.“
Ich gab ihr mein letztes Taschentuch und war beruhigt, als sie sich energisch schnäuzte und weitersprach. „Sie haben über Freud geredet. Und über die Psychoanalyse und verschiedene moderne Therapieformen. Und über die seltsame Pension, in der sie abgestiegen war. Die Adresse hat sie von einer Stelle für Migranten bekommen. Eine Pension in den drei obersten Stockwerken eines ganz normalen Wohnhauses, dafür aber billig. Auch wenn dort niemand Englisch zu verstehen schien.“
„Was hat sie mit Migranten zu tun gehabt?“
Vesna hob die Augenbrauen. „Dass Amerikanerin flüchten will, ist Unsinn. Bosnische Menschen schauen, dass sie nach Amerika kommen. Man muss nicht flüchten aus Amerika.“
Wir hatten uns viel zu wenig mit dem privaten Umfeld von Miss Cooper beschäftigt. Vielleicht hatte es für sie doch einen Grund gegeben, die USA auf Dauer zu verlassen. Vielleicht war sie in eine Beratungsstelle gegangen um sich zu erkundigen, unter welchen Bedingungen sie in Österreich einwandern könnte. Aber Vesna hatte Recht, es klang ziemlich unsinnig. Migrantenstellen kümmerten sich in erster Linie um politische Flüchtlinge und andere Menschen ohne österreichischen Pass und mit Problemen. Wenn sie nicht weiß waren, aus einem reichen Land stammten und eine gut bezahlte Arbeit hatten, hatten sie üblicherweise Probleme genug. Was aber hatte Jane Cooper an einem solchen Ort verloren gehabt?
Trotz meiner Fragen konnte Ulrike nicht viel mehr berichten. Ihr Freund hatte ihr offenbar wenig erzählt. Sie nahm noch ein Beruhigungsmittel, versicherte uns, dass wir sie ohne Bedenken allein lassen konnten, versprach, gut abzuschließen und beim geringsten Anzeichen von etwas Ungewöhnlichem sowohl die Polizei als auch uns zu rufen.
„Wir müssen zu allen Beratungsstellen“, zischte mir Vesna zu, sobald die Türe hinter uns zugefallen war. „Herausfinden, was Amerikanerin da wollte.“
„Das wird die Polizei tun. Ulrike wird den Beamten morgen dasselbe erzählen wie uns.“
Vesna lachte spöttisch. „Ausländerberatungsstellen und Polizei sind nicht Freunde. Die werden Polizei nicht viel sagen, wenn sie nicht müssen. Die mögen es nicht, wenn Polizei bei ihnen ist. Schlecht für den Schutz von Ausländern. Polizei macht Razzien, schikaniert Ausländer.“
„Aber nicht die Mordkommission.“
„Alles eins. Aber wenn Ausländerin kommt, dann erzählen sie.“
„Wenn, dann werde ich hingehen.“
„Ich weiß nicht. Das ‚Blatt‘ hetzt gegen Ausländer und Berater. Solch Journalist ist fast so schlecht wie Polizei. Wenn du sagst ‚Magazin‘ und Lifestyle, sie fallen auch nicht vor Begeisterung vom Hocker. Beraterinnen wollen in Ruhe arbeiten. Und Ausländer fürchten sich, wenn Leute von außen da sind. Nicht alle haben gültigen Pass und Aufenthaltspapiere so wie ich. Zumindest das habe ich.“
„Wir gehen gemeinsam.“
„Gut.“
[ 6. ]
Um neun Uhr war in der Beratungsstelle im einundzwanzigsten Bezirk bereits jede Menge Betrieb. Ich gähnte. Nichts würde mich zur Frühaufsteherin machen. Vesna hatte mich vor einer halben Stunde abgeholt. Bis Mittag hatte ich Zeit, um mit ihr Informationen über die tote Amerikanerin zu suchen, dann musste ich in die Redaktion.
Die Beratungsstelle war in einem niedrigen hässlichen Gebäude untergebracht, zusammen mit einer Lebensmitteldiskontkette, einem Schmuckdiskonthändler und einigen Firmen mit wenig seriös klingenden Namen, die über einen Aufgang zum ersten Stock erreichbar waren. Hier war Wien fast nichts anderes als irgendeine der Großstädte auf der Welt. An der Peripherie gab es Platz für diejenigen, die bei der Jagd nach Erfolg und Wohlstand nicht Schritt halten konnten.
Ein Schild mit einer mehrsprachigen Aufschrift wies auf die Beratungsstelle hin. Kritzeleien hatten es beinahe unleserlich gemacht. Die große Fensterscheibe neben der Eingangstür war fast vollständig mit Ankündigungsplakaten zugeklebt. Ein junger Mann bemühte sich schwarze Parolen an der Hauswand mit weißer Farbe zu übermalen. „Raus mit Serbe“, stand noch da.
Wir traten ein. Vesna ging zielsicher zu einem Tisch,
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