Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
hinter dem eine rund vierzigjährige Frau in Jeans und einem zu engen Top saß. Es war drückend heiß hier drinnen.
„Wir suchen Freundin“, begann Vesna, bevor ich noch etwas sagen konnte. „Ist Amerikanerin und war vor einer Woche oder so da.“ Sie redete mit mehr Akzent als sonst und beschrieb Jane Cooper. Ich hielt den Mund.
Die Frau sah uns aufmerksam an und sagte dann mit einer Stimme, die auf mindestens sechzig Zigaretten pro Tag schließen ließ: „Eine Weiße oder eine Schwarze?“
„Weiß.“
„Glaube ich nicht, dass die hier war. Wenn eine Amerikanerin gekommen wäre und noch dazu eine Weiße, hätte ich mir das gemerkt. Gerda“, rief sie zu einer jüngeren Frau hinüber, die sich gerade auf Englisch mit zwei großen, dunkelhäutigen Männern unterhielt, „war eine Amerikanerin bei uns? Eine Weiße?“
„Eine Amerikanerin? Was soll die bei uns wollen?“
„Kurt kommt gleich wieder herein. Ich kann ihn auch noch fragen. Aber was hätte so jemand wirklich bei uns gewollt? Sie werden ja schon gemerkt haben, dass es andere sind, die unsere Hilfe brauchen. Gibt es sonst noch etwas, das wir für Sie tun können?“
„Ich habe gehört, dass sie da war.“
„Also geben Sie mir Ihre Telefonnummer. Wenn es so gewesen ist, rufen wir Sie an. Was ist übrigens mit Ihrer Freundin? Ist sie stumm?“
Vesna sah mich kurz an und sagte dann: „Kann nicht Deutsch.“
Erst auf der Straße konnte ich meiner Empörung Luft machen. Vesna aber lachte bloß. „Wie eine Idiotin hast du mich dastehen lassen“, schimpfte ich.
„Wer nicht Deutsch kann, ist noch lange keine Idiotin“, erwiderte sie.
Ein eigenartiges Gefühl, wenn einem plötzlich die Sprache genommen wird.
„Was ist, wenn sich jemand an Jane Cooper erinnern kann? Soll ich erst dann damit herausrücken, dass ich Reporterin bin? Und warum hast du außerdem mit diesem übertriebenen Akzent geredet? Du redest schon lange nicht mehr so.“
„Mira Valensky, du hast keine Erfahrung mit Beratungsstellen. Die meisten Leute dort sind wirklich gut und voll Einsatz. Aber zu wenige. Und sie kümmern sich gerne um die, die weniger Deutsch können. Die sind mehr hilfsbedürftig, glauben sie. Und oft haben sie Recht. Lass mich nur machen.“
„Ich habe keine Lust, sie anzulügen.“
„Willst du was erfahren oder nicht?“
Wir einigten uns darauf, es bei der nächsten Stelle nach meiner Methode zu probieren. Neunter Bezirk, eine Beratungseinrichtung speziell für Migrantinnen. Sie war durch den Hof eines Altbauhauses zu erreichen, zweite Stiege, steile, enge Treppen nach oben. Wieder eine mehrsprachige Aufschrift. Wir läuteten, wurden von der Kamera der Gegensprechanlage erfasst, man öffnete uns.
Im Vorzimmer der ehemaligen Wohnung saß eine Frau in meinem Alter mit kurz geschnittenem blonden Haar. „Ja, bitte?“
„Ich bin Mira Valensky. Vielleicht können Sie mir helfen.“
Ich spulte den Text von der jungen Amerikanerin herunter, die möglicherweise hier gewesen war und den Tipp mit der Fremdenpension bekommen hatte. Inzwischen wusste ich, dass die Pension „Alexandra“ hieß.
„Warum fragen Sie?“ Die Frau am Empfang sah uns misstrauisch an. Ich holte Luft. „Sie ist ermordet worden. Und niemand weiß, was sie in Wien gemacht hat.“
„Warum wollen Sie das wissen?“
„Ich bin Reporterin vom ‚Magazin‘.“
„Wir haben mit Sensationsgeschichten nichts zu tun“, erwiderte sie und ihre Stimme war eisig.
„Der Polizei werden Sie die Frage beantworten müssen.“
„Ja, aber Ihnen nicht.“
Vesna war nicht mehr zu halten. „Aber es geht um falschen Verdacht. Wir müssen wissen, was Amerikanerin getan hat. Ich bin Putzfrau von Frau Mira Valensky, eine Migrantin, und Polizei glaubt, dass ich etwas mit Mord zu tun habe. Immer glaubt Polizei, dass Ausländerinnen was mit Verbrechen haben. Mira Valensky will mir helfen. Es gibt auch Gute bei Zeitung.“
„Warum stehen Sie im Verdacht?“
„Lange Geschichte. Aber nichts dran. Bitte, nur eine Antwort: War Amerikanerin da?“
Die Frau sah uns beide noch immer misstrauisch, aber schon etwas freundlicher an. „Zu uns kommen keine Amerikanerinnen. Das haben sie nicht nötig.“ Sie wies in den Gang hinter sich. „Zwei Frauen aus dem Senegal, eine Türkin, die von ihrem Mann verprügelt wurde, eine Frau aus Afghanistan, die von einem Polizisten verprügelt wurde, Frauen aus …“
„Und keine Amerikanerin?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, keine Amerikanerin, mein
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