Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
LKW-Fahrer. Wohl auch Fälle für die Migrantenberatung. Dann ein Beitrag über Nachwuchs bei den Eisbären im Wiener Tiergarten. Damit die Leute auch etwas zum Schmunzeln hatten. Ich gebe zu, ich sehe auch lieber Eisbärenbabys als verzweifelte Türken. Die Moderatorin der Sendung war gerade dabei, sich zu verabschieden, als ihr ein Blatt Papier gereicht wurde. Eine Sekunde lang war sie verunsichert, dann wieder von professioneller Glätte. „Soeben erreicht uns die Meldung, dass es im Fall der Psycho-Morde eine Verhaftung gegeben hat. Die Wiener Sicherheitsdirektion bestätigte einen Bericht in der morgigen Ausgabe der Tageszeitung ‚Blatt‘. Danach ist die Verlobte des ermordeten Facharztes in Untersuchungshaft genommen worden. Sie arbeitet seit zwei Jahren im Freud-Museum. Die Frau wurde bereits einmal wegen eines Eifersuchtsattentates verurteilt. Ihr Verlobter scheint die ermordete Studentin aus den USA im Museum kennen gelernt zu haben. Über weitere Entwicklungen in diesem Fall halten wir Sie in unseren nächsten Sendungen auf dem Laufenden.“
Ich vergaß meinen Hunger und rief im Sicherheitsbüro an. Unter Zuckerbrots Durchwahl ging niemand ans Telefon. Ich wurde mit der Zentrale verbunden. „Ich brauche den Leiter der Mordkommission, Zuckerbrot. Es ist dringend. Unter seiner Klappe hebt er nicht ab, aber er müsste noch im Haus sein.“
Die Männerstimme klang gelangweilt. „Ich weiß auch nicht, wo er sonst sein kann.“
„Aber ich habe wichtige Informationen.“
„Wenn es wichtig ist, dann wenden Sie sich bitte an unseren Journaldienst. Oder rufen Sie den Polizeinotruf.“
„Ich brauche ihn persönlich!“
„Da kann ich Ihnen auch nicht helfen.“ Er hängte ein.
Mag sein, dass in der Nacht der eine oder die andere Verrückte bei der Polizei anrief. Aber was, wenn ich tatsächlich etwas Wichtiges mitzuteilen gehabt hätte? Klar hatte ich keine Informationen, sondern wollte welche. Jedenfalls: Ich musste mit Zuckerbrot sprechen. Was war das für ein Gerede von einem „Eifersuchtsattentat“? Ich musste ihn davon überzeugen, dass Ulrike nichts mit den Morden zu tun hatte. So weit reichte meine Menschenkenntnis gerade noch.
Droch. Er war schon nach dem ersten Klingeln am Apparat.
„Ich hoffe, ich habe dich nicht aufgeweckt.“
„Du wirst es kaum glauben, aber es gibt auch Menschen im fortgeschrittenen Alter, die am Abend auf sind.“
Ich hatte keine Zeit, mich auf unsere üblichen Wortgefechte einzulassen. „Ulrike ist verhaftet worden. Meine Schulfreundin.“
„Du scheinst nur Leute zu kennen, die verhaftet werden.“
Das war eine Anspielung auf Joe, der auch einmal unter Verdacht geraten war – verhaftet hatte man ihn allerdings nie. So viel Zeit musste sein, um das klarzustellen.
Dann fragte ich: „Hast du keine Nachrichten gesehen?“
„Ich bin beim Auftauchen des Eisbärbabys dorthin gegangen, wo auch der König zu Fuß hingeht. Bevor noch dieser ewig grinsende Zoodirektor erscheinen konnte. Der kam doch sicher auch noch vor?“
„Droch“, bettelte ich, „Ulrikes Freund ist ermordet worden. Und sie halten sie für die Täterin, weil sie offenbar schon einmal einen Unsinn aus Eifersucht gemacht hat.“
„Und was war dieser Unsinn?“
„Keine Ahnung, sie haben im Fernsehen nur erzählt, dass es eine Verurteilung wegen eines ‚Eifersuchtsattentates‘ gegeben hat. Was immer das heißen soll.“
„Keine sehr gute Freundin, wenn sie dir das nicht erzählt hat.“
„Wir haben uns Jahrzehnte nicht gesehen, wir sind uns erst beim letzten Maturatreffen wieder begegnet. Aber ich weiß, dass sie niemanden ermordet hat. Ich war es, die ihr vom Tod ihres Freundes erzählt hat – im Fernsehen haben sie von ihrem ‚Verlobten‘ gesprochen, das ist blanker Unsinn, wahrscheinlich haben sie noch mehr Unsinn gesagt – also ich habe ihr vom Tod ihres Freundes erzählt und ich habe ihre Reaktion gesehen. So gut kann sich kein Mensch verstellen.“
„Vielleicht bringt sie ihn zuerst aus Eifersucht um und dann trauert sie um ihn.“
„Aber warum hätte sie ihn überhaupt umbringen sollen? Die Amerikanerin war doch ohnehin schon tot.“
„Ja, die hat sie zuerst um die Ecke gebracht. Möglicherweise. Sei realistisch, Mira: Zuckerbrot ist ein Vollprofi. Wenn er keinen ernsthaften Verdacht hat, nimmt er sie nicht in U-Haft.“
„Ich will mit ihm reden. Sofort.“
„Kann nicht dienen. Ich habe ihn nicht versteckt.“
„Da hast seine Handynummer. Und seine Privatnummer.
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