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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Ich war schrecklich verliebt in Hanni und habe sie gebeten, so schnell wie möglich zu kommen. Nicht, dass ich alles Schreckliche schon heraufdämmern gesehen hätte, aber ich wusste, dass sie Jüdin war, und man wusste auch, dass es in Deutschland die Nürnberger Rassengesetze gab. In erster Linie aber“, er lächelte wehmütig, „ging es mir wohl darum, möglichst bald wieder mit Hanni zusammen zu sein. Mein Vater war wohlhabend, ich habe ihr das Geld für ein Flugticket geschickt. Das war damals noch etwas Seltenes. Aber so ging es schneller. Sie war so schön. Und sie muss wohl auch in mich verliebt gewesen sein. Damals stürzten sich Mädchen nicht ohne weiteres in solche Abenteuer. Sie kam, obwohl ihre Eltern ihr die Reise verboten hatten. Wir hatten einige wundervolle Monate, die dann aber immer mehr von den Ereignissen in Österreich überschattet wurden. Sie machte sich schreckliche Vorwürfe, ihre Eltern zurückgelassen zu haben. Was ist eigentlich aus ihren Eltern geworden?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Sie haben es nicht überlebt.“
    Er sah eine Zeit lang stumm aus dem Fenster. „In meinem Alter ist der Tod nichts Fernes mehr. Aber wir waren damals jung. Vieles, was man schon zu Beginn zumindest an Gerüchten gehört hat, wollten wir nicht glauben. Wir wollten leben. Natürlich haben wir gleich versucht Hannis Eltern herzuholen. Aber sie haben das abgelehnt. Und dann ist es wohl zu spät gewesen. Unsere Beziehung ist am Nazireich zerbrochen. Ein kleiner Schaden im Verhältnis zur großen Katastrophe, ich weiß. Der Gegensatz zwischen Wien und New York war zu groß. Sie hat mich oberflächlich genannt und das war ich wohl auch. Sie hat mich verlassen. Ich glaube, sie wollte dafür büßen, dass sie ihre Eltern zurückgelassen hatte. Aber vielleicht sind das auch bloß die Gedanken eines eitlen, alten Mannes. Lebt sie noch?“
    Ich schüttelte wieder den Kopf. „Sie ist heuer in Kalifornien gestorben.“
    „Wie hat sie gelebt?“
    Er lehnte sein Kinn in die Hand und hörte zu, also ob ihm jemand ein Märchen aus lange vergangener Zeit erzählte.
    „Sie war so schön“, sagte er dann noch einmal mit Sehnsucht in der Stimme. „Und so gebildet. Stenotypistin, sagen Sie? Einen Postbeamten hat sie geheiratet? In Wien hatte sie studiert. Damals gab es noch nicht viele Mädchen, die auf die Universität gingen. Bin ich mit schuld an ihrem verpatzten Leben? Wahrscheinlich.“
    „Warum glauben Sie, dass ihr Leben verpatzt war?“
    „Entschuldigen Sie, das ist überheblich, Sie haben Recht. Aber sie hat so vieles von ihren Fähigkeiten nicht nützen können. Sie hat überlebt, vielleicht auch dadurch, dass sie in mich verliebt gewesen ist. Aber vielleicht hätten ohne mein Drängen auch ihre Eltern überlebt. Oder sie wäre nach dem Krieg nach Wien zurückgegangen, hätte ihr Studium abgeschlossen.“
    Er unterbrach sich und rund um seine Augen bildeten sich Lachfältchen. „Verzeihen Sie meinen Zynismus, aber was würde das alles ändern? Jetzt wäre sie auch tot. Oder zweiundachtzig Jahre alt, würde ihrer Schönheit nachweinen und sich um ihre zunehmende Inkontinenz Sorgen machen.“
    „Sie ist zweiundachtzig Jahre alt geworden.“
    „Ich habe sie in Erinnerung, wie sie als junges Mädchen war. Warum sind Sie eigentlich gekommen? Was interessiert Sie so an meiner Hanni?“
    „Ihre Enkeltochter Jane wurde ermordet, in Wien. Hannis Eltern hatten ein Haus in Wien. Der Mord scheint mit dem Haus in Verbindung zu stehen. Ihre Hanni hatte weder ihrem Sohn noch ihrer Enkeltochter jemals erzählt, dass sie in Wien aufgewachsen ist. Erst nach ihrem Tod hat ihre Enkeltochter einen alten Koffer gefunden, in dem Fotos und Briefe waren. Deshalb fuhr Jane Cooper nach Wien.“
    Als ich meinen Bericht abgeschlossen hatte, seufzte er. „Ich habe über den Mord im Freud-Museum gelesen. Wie hätte ich auf die Idee kommen sollen, es handelt sich um Hannis Enkeltochter? Wie kann ich Ihnen helfen?“
    „Sie haben mir schon geholfen, indem Sie mir von Janes Großmutter erzählt haben. Mir ist jetzt viel klarer, warum sie von ihrer Vergangenheit nichts wissen wollte. Da war nicht nur die Verbittung über das, was die Nazis angerichtet haben. Das waren auch Schuldgefühle ihren Eltern gegenüber. Sie fährt aus Liebe nach New York und ihre Eltern werden umgebracht.“
    „Wie ist ihr Sohn?“
    „Wenn Sie mich fragen, ein aufgeblasener Oberkellner, nein, er hat es zum Restaurantmanager gebracht und ist mächtig stolz

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