Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Fingernägel.
Ich ließ mich wieder auf den unbequemen Holzstuhl fallen. Fünf Minuten, nicht mehr.
Nach sieben Minuten kam Zuckerbrot herein und gab mir die Hand.
„Erfolgreiche Ermittlungen?“, spöttelte er.
„Jedenfalls haben Ihre Beamten nicht herausgefunden, dass das Haus Jane Coopers Großmutter gehört hat.“
„Ihren Urgroßeltern.“
„Sie sollten sich Bernkopf noch einmal genauer ansehen.“
„Danke für den Tipp. Wo sind Ihre Unterlagen?“
Ich hatte in der Redaktion einen weiteren Satz Kopien von den Fotos und den Briefen angefertigt und legte sie Zuckerbrot hin. „Näheres können Sie in der nächsten Ausgabe des ‚Magazins‘ lesen.“
„Sie erzählen jetzt einmal. Von Anfang an.“
„Bitte.“
„Bitte. Und los.“ Zuckerbrot machte sich ein paar Notizen und unterbrach mich selten. Am Ende sagte er: „Das erklärt, warum Jane Cooper an Ministerialrat Bernkopf schreiben wollte. Das entschuldigt ihn eher.“
Ich traute meinen Ohren nicht. „Er hätte das perfekte Motiv. Da kommt eine junge Amerikanerin und meldet ihren Anspruch auf das Haus ihrer Urgroßeltern an.“
„Sie haben selbst gesagt, dass es ihr offenbar nicht um den finanziellen Wert gegangen ist. Aber selbst wenn: So einfach geht das nicht mit der Vermögensrückgabe.“
Ich war übernächtig und ich war so rasch wie möglich nach Wien zurückgekehrt, weil ich überzeugt war wichtige Informationen zu haben. Ich stand auf und sagte böse: „Offenbar gehören Sie zu denen, die die Vergangenheit am liebsten verdrängen.“
Jetzt kam auch Zuckerbrot in Rage. „Was glauben Sie, was Zuckerbrot für ein Name ist? Sechzehn Leute aus meiner Familie sind ermordet worden. Wir haben nicht zu den Reichen gehört. Wir haben erst gar nicht genug Geld gehabt, um legal auswandern zu können. Aber ich habe mich an die Gesetze zu halten. Ich werde nicht nach Sympathie oder Antipathie ermitteln. Es geht um die Fakten.“
„Ich habe Fakten! Ich bitte nur darum, sie auch zu berücksichtigen, wenn sie nicht von einem Ihrer Beamten kommen.“
„Das werden wir, da können Sie sicher sein.“ Er stand nun auch auf und wies mit der Hand zur Tür.
Grußlos ging ich und fragte mich, warum ich nicht längst daran gedacht hatte, dass Zuckerbrot ein jüdischer Name war.
Als ich die Wohnungstüre aufschloss, begann Gismo zu miauen. Gleichzeitig läutete das Telefon. Ich stellte meine Reisetasche ins Eck und hob ab. Gismo starrte mich böse an und erhöhte die Lautstärke. Meine Mutter war am Apparat. Ob ich wisse, dass mein Vater in zwei Wochen fünfundsechzig Jahre alt werde? Das schien eines der komplizierteren Gespräche zu werden. Ich trug das Telefon in die Küche, in meinem Schlepptau maunzte Gismo weiter. „Nein, Mutti, ich habe kein Problem mit dem Staubsauger. Das ist Gismo, meine Katze, du weißt schon.“ Meine Mutter hatte wenig Verständnis für Katzen. Sie waren ihr unheimlich.
Ich klemmte den Hörer zwischen Wange und Kinn und öffnete eine von Gismos Lieblingsdosen. Nicht, dass irgendein Dosenfutter besondere Gnade bei Gismo gefunden hätte, aber andererseits blieb auch selten etwas davon übrig. Ab und zu trug ich ein „Ja“ oder „Nein“ zum Gespräch bei, es kreiste momentan um die offizielle Geburtstagsfeier des Pensionistenverbandes, dem mein Vater politisch vorstand.
Gismo fraß und war endlich ruhig.
Ich setzte mich an den Küchentisch. Meine Mutter klagte über die vielen Menschen, die nicht bloß an den offiziellen Geburtstagsfeiern teilnehmen würden, sondern die sich auch eine private Einladung erwarteten. „Und? Sie haben ja nicht Geburtstag“, warf ich ein. Die Antwort meiner Mutter bestand in einem langen Seufzer. Mir graute vor dem Gedanken an eine große Geburtstagsfeier mit all den Provinzhonoratioren, ihren „Gattinnen“, wie das immer noch hieß, einigen alten Freunden, ihren ebenso alten Scherzen und meiner überforderten Mutter. Aber natürlich hatte ich keine Wahl. Auch wenn wir uns nicht eben häufig sahen, beim fünfundsechzigsten Geburtstag meines Vaters konnte ich schlecht fehlen. Was sollte ich ihm bloß schenken? Materiell hatte er alles, was er wollte. Hobbys hatte er nie gehabt. Ihm reichte seine Politik, seine Partei und alles, was damit zusammenhing.
„Was machen wir mit dem Essen?“, jammerte meine Mutter. „Natürlich können wir bei uns eine Feier für fünfzig oder auch siebzig Leute machen, vielleicht sollte man im Garten ein Partyzelt aufstellen, auch wenn der Rasen
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