Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
stark, haben Freunde. Auch weil sie gewonnen haben. Ist überall ähnlich.“
Zwei Tassen Kaffee später legte Vesna ein Bündel Kopien auf den Tisch. „Unterlagen von dem Psychiater“, sagte sie und lächelte stolz. „Die Sache in der Pension ‚Alexandra‘ war nicht so gut, also habe ich gedacht, ich schaue weiter. Ich habe Unterlagen aus der Praxis geholt.“
„Wie?“
„Putzfrauenverbindung. Nicht nur du kannst recherchieren, Mira Valensky. Die Putzfrau vom Psychiater ist die Tante von der Familie Tomčić, die bei uns im Haus wohnt. War ein Zufall, dass das so ist. Eigentlich habe ich über den Hausmeister probieren wollen, aber dann erzählt Frau Tomčić, die immer so viel redet, dass ihre Tante bei einem geputzt hat, der ermordet worden ist. Gut, ich habe mit der Tante geredet und sie war sehr helfend. Ich habe ihr versprochen, neue Kunden zu liefern. Sie hat am Abend aufgesperrt. Natürlich habe ich Handschuhe getragen. Sie hat am Gang aufgepasst und ich habe die Unterlagen gefunden, gleich zum Kopieren getragen und wieder zurückgelegt.“
„Und wenn sie euch erwischt hätten? Vesna, so etwas ist zu gefährlich. Oder willst du etwa heim nach Bosnien?“
„Wir beide sind Putzfrauen. Wenn sie kommen, dann putzen wir und wissen von nichts. Glaubt uns jeder, du kennst das.“
„Ob dir Zuckerbrot auch geglaubt hätte?“
„Was kann er nachweisen? Eben. Leider war vieles nicht da. Kein Kalender, keine Steuerunterlagen. Weißt du, wegen Einzahlungsscheinen. Vielleicht war dieser Bernkopf auch Patient. Oder sonst jemand, an den wir noch nicht gedacht haben. Für mich sind Unterlagen nur Wortsalat. Leider keine Namen. Aber vielleicht helfen sie.“
Wir sahen uns die Kopien durch. Es gab zwölf Deckblätter, die mit jeweils zwei Initialen beschriftet waren. Die Seiten, die dazugehörten, waren aber auch für mich weitgehend unverständlich. Lateinische Fachausdrücke, häufig abgekürzt. Einzelne Wörter, oft mehrfach unterstrichen oder eingerahmt.
„Vater???!!“, stand auf einem der Blätter und dann „Selbstwert!“ und: „Auto wichtig“; die anderen Wörter waren schon aufgrund der chaotischen Schrift nicht lesbar.
Offenbar hatte er jeder Patientin und jedem Patienten ein Kürzel zugewiesen. Sehr viele Leute waren bei ihm wohl nicht in Therapie gewesen. Aber laut Ulrike hatte er auch im Krankenhaus gearbeitet. Seine Kontakte dort zu überprüfen war allerdings so gut wie unmöglich. Oder sollte ich mich dort einweisen lassen? Vielleicht würde ich weniger auffallen, als ich glaubte. Zumindest hatte ich dem Psychiater so viel zu erzählen gewusst, dass ich darüber meinen eigentlichen Auftrag vergessen hatte. Und er hatte mir zu einer Therapie geraten. Oder war er bloß aufs Geld aus gewesen? Den Eindruck hatte er eigentlich nicht gemacht. Aber wahrscheinlich bräuchte wohl jeder Mensch eine Therapie oder fast jeder.
„Mira Valensky!“, rief Vesna.
Ich schreckte hoch. Ich musste kurz eingedämmert sein.
Wir durchsuchten die Deckblätter auf meine Initialen. Sie waren nicht dabei. Offenbar hatte Ulrikes Freund irgendein Codesystem entwickelt. Ohne Einzahlungsbelege und bei Verzicht auf die Unterstützung durch die Krankenkasse konnten die Sitzungen ganz geheim bleiben, hatte er mir damals versichert. Oder die Unterlagen waren nicht komplett.
Es läutete. Ich ging zur Gegensprechanlage. „Oskar Kellerfreund ist da, das ist ein Überfall“, dröhnte es fröhlich. Er brauchte geraume Zeit, bis er die Stufen geschafft hatte. Dann stand er lächelnd, schnaufend, mit einem Strauß Frühlingsblumen und einer großen Papiertragetasche in der Tür.
„Bringen Sie immer Essen mit?“
„Ja, nur die Blumen gibt es nicht immer. Übrigens waren wir schon per Du.“
Er sah Vesna ins Vorzimmer kommen und war etwas weniger fröhlich. „Oh, du hast Besuch.“
„Vesna Krajner, eine Freundin von mir.“
„Ich hätte anrufen sollen. Aber ich habe von unserer Sekretärin gehört, dass du heute zurückgekommen bist und dass du Neuigkeiten hast. Irene muss sich um einen Wirtschaftsprozess kümmern, da kennt nur sie sich aus. Da ist unerwartet einiges in Gang gekommen, also habe ich ein paar Klienten übernommen, Ulrike ist eine davon. In der Redaktion habe ich erfahren, dass du daheim zu erreichen bist. Ich finde, das beste Mittel gegen den Jetlag ist, ja nicht früher als sonst zu Bett zu gehen. Also habe ich eingekauft und hier bin ich. Ich kann aber auch wieder gehen …“, fügte er unsicher
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