Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
wichtigen Besprechung.“
„Jane Cooper ist wegen dem Haus in der Birkengasse nach Wien gekommen. Sie haben damit eine Menge zu tun.“
„Aber nicht mit ihrem beklagenswerten Tod.“
Ich sah ihn an. „War es Ihr Vater, der der Familie Rosner das Haus weggenommen hat?“
Ministerialrat Bernkopf ballte die Fäuste. Automatisch duckte ich mich etwas. Aber er ließ seine Hände auf dem Tisch liegen, nur die Fingerknöchel traten beinahe weiß hervor. „Nein, mein Vater hat dieser Familie das Haus nicht weggenommen“, sagte er langsam und mit gespielter Ruhe, „er hat das Haus im Jahr 1939 ehrlich erworben und bezahlt. Dafür gibt es Unterlagen.“
„Ehrlich erworben und bezahlt? Janes Urgroßeltern sind gezwungen worden, ihr Haus zu verlassen. Das war dann der Anfang vom Ende.“
„Vielleicht wollen Sie mir auch noch gleich vorwerfen, mein Vater hätte das Ehepaar vergast? Es war eine schreckliche Zeit, aber wir hatten damit nichts zu tun.“ Er entspannte sich etwas. „Mein Vater hat das Haus nicht von Rosner erworben, sondern vom Staat. Das Haus ist versteigert worden und er hat es ersteigert. Sind Ihre Fragen damit geklärt?“
„Er hat den Nazis ein arisiertes Haus abgekauft und sich nichts dabei gedacht? Die Nachkommen der ehemaligen Hausbesitzer sollen deswegen durch die Finger schauen?“
„Ich finde es ungeheuerlich, mich mehr als sechzig Jahre später für ein völlig legales Vorgehen rechtfertigen zu müssen. Ungeheuerlich, in Zusammenhang mit einem Mord gebracht zu werden, nur weil ein Mädchen aus welchen romantischen Gründen auch immer nach Wien gekommen ist. Ich sage Ihnen eines: Nicht nur Ihre geliebten Juden haben es im Krieg schwer gehabt. Ich kann mich gut erinnern, nach dem Krieg sind Ausgebombte bei uns einquartiert worden. Ich weiß noch, dass mein Vater das Haus von Grund auf renovieren musste. So war das in Wirklichkeit. Aber Sie gehören wohl auch zu diesen Linken, die von nichts anderem als Antifaschismus reden, ohne dass sie die Zeit gekannt haben. Wahrscheinlich reden sie deswegen so viel von der Vergangenheit, weil sie selbst keine Zukunft haben. Das hat man ja zum Glück mit dem Zusammenbruch des Ostblocks gesehen. Und, ganz im Vertrauen: Was sind das für Leute, die sich in einem halben Jahrhundert nicht so viel erarbeitet haben, dass sie ehrlichen und anständigen Bürgern ihre Häuser wegnehmen wollen? Haben Sie sich das schon einmal überlegt? Ich sage Ihnen: Für die Zeit damals können wir alle nichts, das heute aber ist modernes Raubrittertum.“
„Die Häuser haben diesen Leuten gehört. Oder ihren Verwandten. Und Millionen von ihnen sind ermordet worden. Und niemand konnte etwas dafür?“
Er knallte mit seiner rechten Faust auf den Tisch. „Es reicht mir. Ich muss mich von Ihnen nicht beschuldigen lassen. Wehe, Sie schreiben ein Wort. Ich verklage Sie. Da steckt politische Absicht dahinter.“ Er sprang auf und verschwand ohne zu zahlen. Ausgerechnet mir politische Absichten zu unterschieben. Natürlich war ich auf der „Gegen-die-Nazis-wehret-den-Anfängen-Seite“. War ich schon immer gewesen. Das hatte wohl auch mit natürlicher Opposition gegen die Einstellung meines Vaters zu tun. Vieles, was mein Vater sagte, klang sehr ähnlich wie das, was Bernkopf von sich gegeben hatte. Auch wenn das Einfamilienhaus meiner Eltern zum Glück aus den Siebzigerjahren stammte.
Allerdings hatte ich noch nie Lust gehabt, mich aktiv an irgendwelchen Aktionen zu beteiligen. Allzu viele gab es meines Wissens ohnehin nicht. Ich kannte ein paar so genannte Antifaschisten, die mir mit ihrer Selbstgerechtigkeit auf der Uni gründlich auf die Nerven gegangen waren. Was soll’s. Wahrscheinlich war ich einfach nur zu bequem gewesen um mitzutun. Das Gespräch mit Bernkopf hatte jedenfalls dazu beigetragen, mich stärker denn je mit ihnen zu solidarisieren. Mir gingen die Briefe der Eltern von Hanni Rosner im Kopf herum. Sie hatten sich nicht vorstellen können, dass ihnen von heute auf morgen alles, absolut alles genommen werden konnte. Nicht bloß das Haus, sondern auch das Vertrauen in ihre Umwelt, auch die Hoffnung und dann das Leben. Aber ein Bernkopf klagte darüber, dass sie nach dem Krieg Einquartierungen gehabt hätten und dass sein Vater das arisierte Haus habe renovieren müssen.
Der Ober kam, ich hatte keine Lust, für Bernkopf mitzuzahlen. „Sie kennen Ministerialrat Bernkopf?“, fragte ich.
Der Ober nickte.
„Er hat zu zahlen vergessen. Bitte erinnern Sie ihn
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