Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Glück. Wenn das Haus bei der Familie Rosner geblieben wäre, dann hätten wir alle gehen müssen und Juden wären einquartiert worden, hat er uns erzählt. Er war wie der Herr Rosner im Ersten Weltkrieg. Beide waren sie Offiziere. Nur dass es der Herr Bernkopf von Berufs wegen war und Herr Rosner war es nur nebenbei, weil eben Krieg war und die Männer das Land verteidigen mussten. Von Beruf war er Anwalt.“
„Wissen Sie, was für ein Offizier Herr Bernkopf gewesen ist?“
„Wie?“
„War er bei den Nazis?“
„Nein, er war im Ersten Weltkrieg.“
„Und danach?“
„War er wahrscheinlich weiter Offizier. Mein Vater war auch im Krieg, im ersten. Er ist dann viel später erst an den Kriegsfolgen gestorben, er ist als Invalide zurückgekommen. Sie sind noch viel zu jung um das alles zu kennen.“
Ich nickte. „War Herr Bernkopf bei der SS? Oder bei der SA? Oder hat er sonst einen Rang gehabt?“
„Irgendwo wird er wohl gewesen sein. Aber da fragen Sie besser seinen Sohn. Ich glaube, er hat im Nachschubwesen gearbeitet. An der Front war der, glaube ich, nie. Da war mein Vater ein größerer Held.“
„Wie hat er das Haus dann bekommen?“
„Na gekauft hat er es, von der Verwaltung. Das weiß ich sicher. Der Nachbar, ein gewisser Herr Willibald, er ist auch schon lange tot, hat der Familie Rosner schon früher ein Angebot gemacht für das Haus. Das war gleich nachdem der Hitler gekommen ist. Eine unruhige Zeit war das. Ich kann mich erinnern, weil mir der Herr Willibald damals so gut gefallen hat, ein fescher Mensch war das, groß und mit einem blonden Schnurrbart, aber da war ich eben noch ein junges Mädel. Die Rosners haben das abgelehnt, sie haben gesagt, sie wollen nicht verkaufen und außerdem sei das Haus mehr als doppelt so viel wert. Dann hat Herr Bernkopf, also der Offizier, noch weniger zahlen müssen. Das war freilich schon im Dritten Reich. Da wäre es besser gewesen, die Rosners hätten das Angebot von Herrn Willibald angenommen. Aber so ist der Herr Willibald nach Graz gezogen und ich habe ihn aus den Augen verloren. Entweder haben sich die Rosners mit dem Preis geirrt, oder der Herr Bernkopf hat ein gutes Geschäft gemacht.“ Sie lächelte verschmitzt. „Wird wohl Beziehungen gehabt haben. Beziehungen braucht man eben, das ist immer so.“
Ich bedankte mich bei ihr und versprach, mich für sie einzusetzen, falls ihr die Familie Bernkopf kündigen wolle.
„Sagen Sie ihnen, dass ich noch ganz gut denken kann, sagen Sie ihnen das“, rief sie mir noch auf der Stiege nach.
Vielleicht würde sich das Problem mit dem Haus in der Birkengasse dadurch lösen, dass Frau Nawratil vergaß, das Gas abzudrehen. Ein großer Knall, und alles war vorbei.
Das beste Mittel, um einen Jetlag gar nicht erst entstehen zu lassen, ist, einfach zur üblichen Zeit schlafen zu gehen. Aber es war ein anstrengender Tag gewesen. Ich schleppte mich zum zweiten Mal an diesem Tag die Stufen zu meiner Wohnung nach oben und fluchte wieder einmal darüber, dass zwar seit Jahren über den Einbau eines Aufzugs diskutiert wurde, aber bisher nichts geschehen war. Ich spürte alle meine Beinmuskeln, als ich vor der Eingangstür angekommen war. Ich blieb stehen, schnappte ein paarmal nach Luft und kramte dann nach dem Schlüssel. Ich hörte Schritte. Deutlich leichtfüßiger als ich kam da jemand die Treppen herauf. Für einen Moment hielt ich den Atem an. Jemand hatte es auf mich abgesehen. Ich atmete pfeifend wieder aus. Alles Einbildung, wer sollte mir etwas Böses wollen? Besser, ich suchte mir möglichst bald einen neuen Psychotherapeuten.
Noch immer mit einem unguten Gefühl wandte ich dem Stiegenhaus den Rücken zu und sperrte auf.
„Warte, Mira Valensky“, rief Vesna.
Es stellte sich heraus, dass nicht nur ich einiges zu erzählen hatte. Auch sie war in den letzten Tagen aktiv gewesen. Die Geschichte des Hauses in der Birkengasse quittierte sie mit heftigem Nicken. „Wo Krieg ist, gibt es auch Gewinner. Wer will sich Beute nehmen lassen? Das ist in Bosnien auch so. Und glaube nicht, Mira Valensky, die UNO macht da viel dagegen. Die wollen nur Ruhe. Aber Frieden kann es nur geben, wenn der Krieg und was damit gekommen ist, wirklich aus ist. Die Sieger wollen das nicht.“
„Aber das Deutsche Reich hat den Krieg verloren.“
„Und was ist mit Deutschen? Mit Österreichern? Die haben nicht alle verloren. Manche haben gewonnen. Zum Beispiel Häuser. Die wollen nicht, dass darüber geredet wird. Sie sind
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