Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
Kreislauf und sie öffnete ihre Jacke, so heiß war ihr plötzlich und ihr Ego wuchs und wuchs, als Model würde sie die Welt erobern!
Erst jetzt bemerkte sie die zusammengekauerte Gestalt, die auf dem Gehsteigrand hockte und an ihren Nägeln kaute. Marusha blickte nicht auf, als sich Darija leicht wie eine Feder neben sie auf den Gehsteig setzte. Prüfend ließ sie ihre Augen mit den tellergroßen Pupillen über Marusha gleiten. Das seidig blonde Haar hing ihr strähnig ins Gesicht, der Lack auf den abgebissenen Nägeln war abgesplittert, die engen Jeans waren völlig durchnässt und stanken fürchterlich. Als Marusha ihr das Gesicht zuwendete und diese verrückt graulila Augen aufschlug, bemerkte Darija, dass sie geweint hatte.
„Was ist mit dir, meine Kleine?“, fragte sie und die Worte perlten noch immer glänzend und geschmeidig aus ihrem Mund.
„Du bist so schön, meine Kleine, aber schwach, schwach, schwach! Du lässt dich besiegen und wirst fahl und verwelkt, dabei müsstest du doch strahlen und eine Siegerin sein!“
Gerne hätte sich Darija weiter an ihren eigenen Worten berauscht, doch als sie Marushas verzweifelten Gesichtsausdruck sah, riss sie sich zusammen, legte stattdessen den Arm um die Schultern des Mädchens, dachte daran, dass Marusha erst sechzehn Jahre alt war und noch viel zu lernen hatte, während sie, Darija, mit neunzehn schon die Welt von oben und von unten kennen gelernt hatte und bereits alles über Licht und Schatten, aber besonders über die Grautöne dazwischen zu wissen glaubte.
„Ich, ich kann das nicht“, schniefte Marusha und vergrub ihr Gesicht in der Lederjacke von Daria. „Ich will nicht mit Männern so herummachen.“
„Ich weiß, meine Kleine. Ich weiß, mein Baby.“ Jetzt gefiel sich Darija in der Rolle der älteren Schwester oder der erfahrenen Freundin, nein, Darija war die Göttin, die weiße Göttin – und bei diesem Gedanken knisterten ihre feinen weißen Haare und leuchteten wie elektrisiert. Marusha war wie geschaffen für das Gift und Sherban würde sich über ihre, Darijas, Initiative freuen und ihr mehr Jobs vermitteln, denn dann gab es kein Problem mehr mit den Mädchen, denn alles, was zählte, war das Glücksgefühl, wenn der Schuss zu wirken begann. Ja, sie, Darija, war die weiße Göttin und das Leben der kleinen Marusha lag in ihrer Hand.
Sie fasste Marusha am Kinn, schob ihren Kopf nach oben und sah ihr dann tief in die Augen.
„Das gehört zum Business, Kleine, und Sherban hat ein Herz für Mädchen, wie du es bist. Bratislava ist ein gutes Pflaster. Schatz, du wirst es schon schaffen! Hier, ich habe was für dich.“
Darija griff in die Brusttasche ihrer engen Lederjacke und fischte ein zerknittertes Bildchen hervor.
„Die Schwarze Madonna von Kiew. Nimm sie, meine Mamuschka hat gesagt, dass sie Glück bringt.“
Marusha fixierte das Bild mit ihren graulila Augen, hielt es in das blaue Licht, das noch immer die Front der Galerie beleuchtete und Darijas weiße Haare mit einem spinnwebenhaften bläulichen Schimmer überzog und ihre tellergroßen Pupillen in dem knochigen Gesicht wie bei einer Schlange hervortreten ließ.
„Danke“, flüsterte Marusha unter Tränen. „Danke. Die Madonna wird auch mir Glück bringen.“
Wie eine Viper beugte Darija ihren Kopf nach vorn und fixierte Marushas noch immer zitternde Lippen.
„Diese Madonna wird dich beschützen. Verhalte dich professionell. Dann wirst du es weit bringen“, flüsterte sie, ließ ihre Zunge nach vor schnellen und küsste Marusha auf den Mund, leckte wie eine Katze über ihre Wange.
„Probiere das Heroin, das entspannt dich. Es macht dich unbesiegbar“, hauchte sie in Marushas Ohr und ließ ihre Zunge rund um Marushas Ohrläppchen kreisen.
„Versuche es! Ein Schuss Heroin unter die Zunge! Werde unbesiegbar!“ Elektrisch aufgeladen und von schockartigen Hitzewellen gejagt, sprang Darija energiegeladen in die Höhe und zog Marusha mit sich empor, ließ die eiskalte Bratislaver Nacht, den Gehsteig, die Galerie im Dunkel verschwinden, hatte nur noch Augen für Marusha. Mit ihren knochigen Händen und den vielen Ringen an ihren Spinnenfingern presste sie Marushas zarte Wangen sanft zusammen. Ihre Pupillen glühten und brannten sich wie Laser durch Marushas Kopf, verbrannten ihren Widerstand, machten sie willenlos und schwach und Darija wusste, dass sie ihr Ziel bald erreicht hatte.
„Los, komm! Nur einen Schuss Heroin! Vertraue mir!“
„Ja, ich vertraue dir.“
26.
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