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Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)

Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)

Titel: Freunde müssen töten - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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Talk ohne Limits

    Knapp vor ein Uhr morgens lief die Schluss-Signation seiner Sendung. Tony Braun lehnte sich entspannt zurück, öffnete mit einem lauten Klacken die nächste Bierdose, nahm einen kräftigen Schluck und spürte, wie die Müdigkeit langsam in seine Glieder kroch. Draußen waren schwere Schritte zu hören, dann wurde die Tür aufgerissen und eine riesige, massige Gestalt trat ein.
    „War ja wieder eine tolle Sendung, Nighthawk!“ Giorgio Miller stellte eine weitere Bierdose auf den wackeligen Tisch und ließ sich ächzend auf einen abgewetzten Stuhl fallen, der unter seinem Gewicht bedrohlich knarrte.
    „Du weißt ja, es kam wieder dieser Skype-Anruf herein.“ Er fixierte Braun, doch dieser starrte an ihm vorbei ins Leere. „Aus dem Gefängnis. Du hast ihn wieder nicht angenommen! Na egal, ist ja dein Problem. Aber irgendwann musst du die Dinge für dich klären, Braun!“
    Mit den Händen schob Miller sich die grauen langen Haare hinter die Ohren und senkte den riesigen Kopf, sodass sich sein schwabbeliges Kinn wellenförmig bis auf die Brust ausbreitete und den Hals komplett verdeckte.
    „Wie gesagt, war eine super Sendung, Nighthawk“, wechselte er das Thema, als er merkte, dass Braun nicht auf seinen kleinen Vorwurf einging. „War ja ziemlich krank, was der Typ mit der Frau gemacht hat! Ich meine, als Liebesbeweis hat sie sich eine brennende Zigarette auf dem Oberschenkel ausgedrückt! Würdest du das von deiner Frau verlangen?“
    Braun kratzte sich das Kinn und strich sich dann mit beiden Händen die zu langen schwarzen Haare aus der Stirn. Mit dem Daumen öffnete er die frische Bierdose, trank und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
    „Hoffentlich befolgt sie meinen Rat und verlangt von ihrem Freund einen ähnlichen Liebesbeweis. Ich denke, der Feigling ist ein ganz gewöhnlicher Sadist, der sofort zu winseln beginnt, wenn er bloß an eigene Schmerzen denkt. Sie soll ihn an den Eiern packen, dass er nur so kreischt. Das wird ihr die Augen öffnen und sie wird ihn verlassen.“
    Noch immer hatte Braun die schrille Stimme der Frau im Ohr, hatte genau gespürt, wie sie darum kämpfte, die richtigen Worte zu finden, um ihre Hoffnungslosigkeit in die Nacht hinauszuschreien, wo schlafgestörte Zuhörer vor dem Computer oder dem Radio saßen und atemlos dem Talkradio lauschten.
    „Das war heute wieder Spitze!“
    Die Stimme des Webmasters dröhnte blechern aus dem Lautsprecher.
    „Zweihundert Hörer waren die ganze Zeit online! Besonders die Geschichte mit der Zigarette als Liebesbeweis hat die Wogen hochgehen lassen. Wütende Statements, vieles davon absolut nicht jugendfrei! Und das um ein Uhr morgens. Für einen Polizisten kannst du ziemlich gut auf diese Problemfälle eingehen.“
    Auch Giorgio Miller hob zustimmend den Daumen und klopfte Braun anerkennend auf die Schulter.
    Tony Braun schlüpfte einmal pro Woche in sein Alter Ego „Nighthawk“, dem nächtlichen Moderator, dem es nie an direkten Worten fehlte. Er hatte sich in seiner um Mitternacht startenden Radiosendung „Talk ohne Limits“ zu einer echten Kultperson entwickelt. Ein Polizist als Seelentröster, brutal direkt, wenn es nötig war, aber auch einfühlsam, wenn es darauf ankam. In der Tat war es für einen Mordermittler ungewöhnlich, um diese nachtschlafende Zeit eine Radiosendung zu moderieren. Aber das war auch nicht Brauns Idee gewesen. Seine Therapeutin hatte ihm geraten, sich nach seiner Scheidung sozial zu engagieren. Negative Strömungen in positive Schwingungen, in „positive vibrations“ zu verwandeln, hatte sie gesagt. Zunächst hatte Braun über diese Psychoscheiße, wie er es nannte, nur gelacht, hatte widerwillig erste Sendungen für Giorgio Miller, den er von früher kannte, moderiert, war dann aber plötzlich aufgewacht, als er feststellte, dass die Anrufer seine Stimme und seinen Rat tatsächlich „brauchten“.
    Mittlerweile war Brauns „Talk ohne Limits“ fixer Bestandteil bei dem kleinen Internetradiosender „Wahre Werte“ mit seinem Pot rauchenden Betreiber Giorgio Miller, einem Althippie Ende sechzig, der stundenlang über seine Abenteuer bei den Piratensendern vor der englischen und holländischen Küste erzählen konnte. Doch Giorgio Miller war nicht nur ein überzeugter Kiffer, sondern er engagierte sich auch für kriminelle Jugendliche. Seine Idee, asoziale Kids statt in den Knast lieber in das städtische Tierheim zu stecken, wo sie Verantwortung übernehmen und täglich

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