Freunde und andere Feinde: Endzeit-Thriller (German Edition)
wenigen Dorfbewohnern die Ehre zuteil den König überhaupt zu sehen. Und wenn sie ihn sahen, dann hieß es meist nichts Gutes; wie bei dem Milchbauer Ullrich .
„Mein König, ich schwöre auf die alte und die neue Welt. An jenem Tag wollte Siamak meine Steuergüter kassieren, doch er kam wider meiner Erwartung nicht“, sprach Ullrich auf Knien. „Ich hatte hier und da Zahlungsprobleme, das gebe ich schamlos zu. Bei den Steuersätzen ist es ungewöhnlicher nicht in Verzug zu geraten. Mein König, ich bin kein Mörder. Ich würde lieber mein Hab und Gut verlieren, als einen anderen Menschen umzubringen.“
Das Wohnzimmer wurde zugleich auch als Thronsaal benutzt. Das Sonnenlicht kämpfte wie jeden Tag den erbitterten Kampf gegen die dunklen Wolken. Nur schwaches Licht drang durch die hohen Fenster des Landhauses. Der „Thron“ des Königs war ein goldener Stuhl mit Lehnen aus rotem Leder. Bei dem Thron der Königin handelte es sich um den gleichen Stuhl. Um die Macht des Königs zu unterstreichen, wurden an diesem Stuhl die Beine um fünf Zentimeter gekürzt.
Der Milchbauer sprach seit einer halben Stunde auf den König ein, ohne eine einzige Antwort zu ernten. Der Rücken schmerzte ihm vom ständigen Spielen des Bücklings. Sein Kreuz fühlte sich an, als würde es jeden Moment in zwei Hälften auseinander brechen.
Den Thron benutzte der König äußerst selten als Sitzgelegenheit. Er genoss es viel mehr auf dem plüschigen Teppich im Schneidersitz zu sitzen, so lange, bis der Abdruck seines Hinterns in den Teppich sickerte. Vor ihm stand sein weißes Kaffeeservice, gefüllt mit schwarzen Kaffee. Gegenüber des Königs lag sein geliebter Stofftierwal. Auch dem handlichen Kuscheltier schenkte der König schwarzen Kaffee ein.
„Mein König, ich bitte Sie! Ich bin nur ein Milchbauer, kein lebensmüder Verbrecher. Wir wissen doch was Sie, oh mein König, mit den Verbrechern anstellen.“
Der König trank den letzten Schluck seines Kaffees aus, ehe er sich aus seinem Schneidersitz aufrichtete. Im Vergleich zum kräftigen Milchbauer wirkte der König ein gutes Stück winziger. Auch alle anderen körperlichen Merkmale des Königs erweckten jeden anderen Eindruck jenseits von majestätisch. Er war ein normaler Mensch wie jeder andere auch, kein bisschen außergewöhnlich, doch gerade das verängstigte die Dorfbewohner an ihm, dass ein Niemand wie er sich dieses Imperium aufbauen konnte.
Der König trug nichts außer seiner Pantoffeln und einer blauen Badehose mit aufgezeichneten Walen und Haien. Die Haut über den verkümmerten Muskeln schimmerte im Kerzenschein bleich.
Als der König vor ihm stand, nahm Ullrich seinen Mut zusammen und stellte die für ihn erlösende Frage: „Also?“
„Also was?“, fragte der König in seiner ruhigen und rauen Stimme.
„Bin ich frei? Sie halten mich für unschuldig, oder?“
Der König zuckte mit den Schultern. „Ich habe nicht zugehört“, packte einen Golfschläger und peilte damit den Golfball an.
Der König selbst bezeichnete sich ungern als König, sondern gab sich selbst den Namen „Golfkönig“, da Golf in der alten und neuen Welt seine Leidenschaft war. In allen schönen Teppichen des prächtigen Landhaues wurden an zufällig ausgewählten Punkten Löcher in den Boden gebohrt. Aus den Löchern ragte je eine Fahne, gebaut aus einem dünnen Holzstab und einem umgewickelten Stück Stoff. Das ganze Haus wirkte auf Neuankömmlinge wie eine versnobte Minigolfbahn.
Der Golfball wurde von einem leichten Stoß in Bewegung gesetzt, rollte über den glatten Teppich, vorbei an Ullrich und schon bei dem ersten Versuch landete der Golfball in das vorgesehene Loch. Der Ball schlug am Holzstab an und drehte sich um diesen, bis er letztlich zum Stoppen kam.
Der eingeschüchterte Ullrich war längst verstummt, als der König an ihm vorbei schritt und den Golfball aus dem Loch fischte. Er hielt sein Haupt gesenkt und gab keinen Ton von sich. So dachte er die Prozedur überleben zu können - hoffte er zumindest.
Samira, die Königin Sodoms, saß gelangweilt auf ihrem kleineren, goldenen Stuhl, stützte einen Arm auf der roten Lehne ab und bedeckte mit einer Hand ihre Augen, da sie die kommende Szene zu gut kannte.
Ullrich, der immer noch den König fest im Nacken sitzen hatte, traute sich nun endlich einen Blick zurück zu wagen. Er drehte seinen Nacken und sah den Golfkönig, der mit seinem Schläger ausholte und das knochenharte Eisen in sein Gesicht schlug. Ein
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