Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
erzählte er. »Mit Asher und Jack.«
»Wer sind Asher und Jack?« Meine Frage war an Jamyang gerichtet.
»Nette Jungs«, sagte sie. »Sie gehen auch Bilothek.«
»Warum laden Sie sie nicht mal hierher zum Spielen ein?«, schlug ich vor. Sie nickte. Hieß das nun ja oder nein? Aber ich wollte nicht noch einmal nachhaken; ich korrigierte schon oft genug ihre Grammatik und Aussprache.
»Fertig, Dash?«, fragte Jamyang. Für meinen Sohn setzte sie ein Lächeln auf. »Handschuhe nicht vergessen.«
Er kicherte, als er sich in den Buggy fallen ließ, legte die Bücher auf seinen Schoß und stieß seine rechte Hand in die Höhe für ein High-Five. Wer hatte ihm das beigebracht? Ich gab Dash einen Abschiedskuss und winkte ihnen nach, wieder einmal daran gemahnt, dass alle Kontrolle, die ich zu haben meinte, schneller dahinschmolz als Marmelade auf Toast. Ich sah aus dem Fenster, bis sie um die Ecke gebogen waren. Erst wenn sie weg waren, konnte ich mit anderem beginnen.
In der letzten Woche war Xander weiter ziemlich gereizt gewesen und hatte seinen jovialen Humor nur dann bemüht, wenn wir nicht allein waren. Jamyang war in meiner Gegenwart so unergründlich wie immer. Aber mein Misstrauen wuchs mit jedem Tag. Ich musste wissen, was vor sich ging.
Ich fühlte mich genau wie der Eindringling, der ich war, als ich auf Zehenspitzen die kleine Treppe hinunterschlich und zuerst in das Bad gleich neben Jamyangs Zimmer ging. Die Handtücher, mit Gänseblümchen bestickt, waren auf ein Drittel ihrer Größe zusammengelegt und ordentlich über die Stangen gehängt. Neben der Toilette lagen Ausgaben von ›People‹ und ›Glamour‹, beide schon Monate alt. Neugierig warf ich einen Blick hinter den Duschvorhang: Glanzshampoo, Haarspülung, ein Rasierer. Nichts Besonderes oder Verräterisches. Ich öffnete das Badschränkchen. Die meisten Tiegel und Tubentrugen fremde Markennamen, vermutlich aus Jamyangs Heimat, obwohl ich auch Crest-Zahnpasta entdeckte, ein Fläschchen Nagellack in dem Blutrot, das ich auf ihren Zehennägeln gesehen hatte, einen rosigen Lipgloss, schwarze Mascara und eine Wimpernzange. Das einzig Überraschende an alldem war die Hinterlist, mit der ich in die Privatsphäre unserer Nanny eindrang. Ich konnte quasi hören, wie Autumn Rutherford mir riet aufzuhören, ehe ich mich selbst völlig erniedrigte. Doch ich ging hinüber in Jamyangs Zimmer.
Auf den ersten Blick sah der gemütliche Raum genau so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Das breite Bett war ordentlich mit den gelben Chintzlaken gemacht, die ich ausgesucht hatte, weil sie so gut zu den apfelgrünen Wänden passten, auch wenn jetzt ein aquamarinblaues Lesekissen mit Cordbezug wie ein Buddha auf dem Bett thronte. Das gerahmte Poster des New York City Ballet aus meiner ersten Wohnung hing noch an der Wand, aber die Fotografien des Prospect Park waren gegen einen Kalender mit Bildern friedvoller Berge und Wörtern in exotischen Buchstaben ausgetauscht worden.
Ich ging zur Kommode und öffnete mit zitternden Händen jede Schublade, sorgsam darauf bedacht, Jamyangs penible Ordnung nicht durcheinanderzubringen. BHs und Slips, weiß wie Papier, lagen säuberlich zusammengelegt neben Socken und Leggings. Ihre Pullover und T-Shirts waren nach Farben sortiert, in allen gedeckten Tönen von Blau, Grau und Grün, ohne dass ein Streifenmuster oder Aufdruck die Monotonie unterbrach. Ich sah in den Schrank. Ein schwarzes Kleid aus seidigem Synthetik hing schlaff neben einer schwarzen Hose und einem längeren Mantel, der noch sein bescheidenes Preisschild trug. Die Ablage darüber war leer, bis auf eine kleine Einkaufstüte von Sephora.
Ich ging zurück auf den Flur. Das Dröhnen der Heizung war das einzige Geräusch, das ich hörte. Reiß dich zusammen, sagte ich mir, hör auf damit. Doch ich konnte nicht. Wiebesessen atmete ich einmal tief durch und ging noch einmal nachsehen.
Ich schnappte nach Luft. In der Einkaufstüte lag, in rotes Seidenpapier gewickelt, ein ungeöffneter Flakon eines Dufts –
meines
Dufts, der einzige, den ich trug, Xanders Lieblingsduft, »Romance«. Jeden Morgen erlaubte ich mir zwei Spritzer davon und einen weiteren vor dem Zubettgehen.
Konnte Jamyang sich das Eau de Toilette selbst gekauft haben? Nicht für sechzig Dollar das Fläschchen. Hatte Xander es für sie gekauft? Ich hätte am liebsten das Seidenpapier in Fetzen gerissen, zwang mich aber, alles genau so zurückzulegen, wie es gewesen war, und sah mich im Zimmer
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