Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
denn nun sein sollte.
Wer sagt denn, dass er nicht längst einen hat?,
warf die Fiese Fiona ein.
Sieh lieber zu, dass du diesen Job kriegst, Mädel.
»Wenn Sie Dash zum Musikunterricht bringen, nehmen Sie bitte Goldfischli für ihn mit.« Ich ging in unsere gut gefüllte Speisekammer und zeigte auf einige Packungen.
»Ja, Mrs Keaton.« Jamyang nickte höflich.
»Und Kleider zum Wechseln«, fügte ich hinzu. »Und bitte vergessen Sie seine Jacke nicht.«
»Ja, ja.« In den drei Wochen, die Jamyang jetzt auf Dash aufpasste, hatte sie nicht nur seine Zuneigung erworben, sondern auch die Managementfähigkeiten einer Leiterin einer Kette von Kindertagesstätten bewiesen. Trotzdem konnte ich es nicht lassen, sie immer wieder auf Grundsätzliches hinzuweisen. Ich wusste, dass ich nervtötend war.
In nicht ganz einer Stunde wollten Xander und ich eine weitere Vorschule besichtigen, die letzte von sieben, die Hannah McCoy uns vorgeschlagen hatte. Nächste Woche sollten wir damit beginnen, Aufnahmeunterlagen einzureichen. Der Druck wuchs, und Xander war nicht gerade eine Hilfe. Am Ende jeder Besichtigung bombardierte er die Direktoren mit Fragen.
Wie fördert der Unterricht die intellektuelle Unabhängigkeit? Was tun Sie, um die Fantasie eines Kindes anzuregen – würden Sie bitte Beispiele nennen? Könnten Sie mir erklären, warum Ihre Methoden als progressiv betrachtet werden?
Einige der Eltern, die dieselben Kreise von Schule zu Schule zogen wie wir, grüßten wir mittlerweile mit einem Kopfnicken, und ich schauderte bei dem Gedanken, dass sie Xander sicher als Schwätzer im Maßanzug abstempelten. Sie kannten eben nicht den Mann, den ich kannte, den hart arbeitenden Perfektionisten, der nur das Beste für seinen Sohn wollte.
Ich dagegen gab kaum einen Ton von mir, es sei denn, um die Sauberkeit der Schulgegend zu loben oder zu fragen, ob die Kinder beim Schaukeln beaufsichtigt würden. All die Vorschulklassenzimmer sahen noch genauso aus, wie ich sie aus meiner eigenen Kindheit in Erinnerung hatte – sogar das Kaninchen hockte noch immer gelangweilt in seinem Käfig. Das Einzige, was sich wirklich verändert hatte, waren die Namen. Theo, Ariel, Dylan, Aspen, Charlie, Brett, Alex und Morgan – waren das Jungen oder Mädchen?
Alle Direktoren gaben Allgemeinplätze von sich. »Hier an der Wie-auch-immer-Schule helfen wir den Schülern, sich in einer Atmosphäre des gegenseitigen Respekts zu entwickeln … Wir arbeiten mit den Kindern sowohl unter ethischen als auch unter entwicklungspädagogischen Gesichtspunkten … Es ist unser reiches Kulturerbe, das vielseitig interessierte Persönlichkeiten hervorbringt … Unser Unterrichtsprogramm ist so tief greifend und breit gefächert, dass es den Wunsch der Schüler fördert, eine Verbindung zwischen Klassenzimmer und der großen Welt draußen herzustellen.« Sobald diese Verlautbarungen begannen, fingen meine Gedanken an zu wandern. Mochten andere Eltern auch verständnisinnig nicken, ich war bloß versucht zu fragen:
Wie? Geht’s auch eine Nummer kleiner?
Keiner der uns Herumführenden sprach die Fragen an, die ich nicht zu stellen wagte: War es an dieser Schule erlaubt oder verboten, die Kinder nach einem Wehwehchen zu küssen? Wie würde ein Lehrer Dash behandeln, wenn er seine Schuhe noch nicht ordentlich binden konnte? Achtete die Schule darauf, dass er sich zu einem netten Menschen entwickelte, oder galt nett sein als genauso altmodisch wie – und ich spreche da aus eigener demütigender Erfahrung – die arglos benutzte Anrede Miss für eine unverheiratete Dozentin am College. Außerdem machte ich mir Sorgen, dass Dash schon jetzt am Anfang eines langen Lebens auf dem Nebengleis stehen könnte,auf jener einsamen Spur, auf der langsame Regionalzüge dahinkrochen neben den Hochgeschwindigkeitsstrecken, die von den klügeren und aggressiveren kleinen Jungen, den Henry Fisher-Wells dieser Welt, bevölkert wurden. Henry konnte bereits das Alphabet aufsagen. Jeden einzelnen Buchstaben!
»Jetzt Sie gehen«, drängte Jamyang. Offenbar hatte ich einen Moment lang wie erstarrt dagestanden. »Dash und ich gut.«
Ich wusste, dass ich meine Unsicherheiten nicht meiner Nanny aufnötigen sollte, und vor allem nicht meinem Sohn, der sich in jeder Hinsicht – aufsetzen, laufen, Becher festhalten – genau nach Plan entwickelte. »Danke schön«, sagte ich und drehte mich zu Dash um. »Gib Mommy einen Kuss, süßer Prinz.«
Er kicherte,
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