Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Chef gewesen. Hätte es ihn nicht gegeben, wäre ich nie in der Werbung gelandet – er ist hervorragend in seinem Job und hat mir beigebracht, wie man anständige Werbetexte schreibt. Dennoch hatte ich gezögert, ihm Jules vorzustellen. Ein Mann, dem seine Nasenhaare komplett egal sind, entsprach einfach nicht meiner Vorstellung von einem potenziellen Partner – für wen auch immer. Doch letzten Dezember bei unserem alljährlichen Weihnachtslunch war Arthur plötzlich vertraulich geworden. Nicht, dass er etwas von mir gewollthätte – obwohl ich das häufig falsch einschätze. Talia sagt mir oft, dass ein Mann mit mir flirtet, während ich sein Hallo einfach als normales Hallo auffasse. Bei überbackenen Käsesandwiches erzählte Arthur mir, dass seine Freundin mit ihm Schluss gemacht habe und ausgezogen sei. Anfangs hatte ich den Eindruck, dass er vor allem den Kabelfernsehsendern hinterhertrauerte, die sie gezahlt und die er sich auf ihrem 5 2-Zoll -HDT V-Flachbildschirm angesehen hatte. Doch dann sagte er, fast wie zu sich selbst: »Ich weiß auch nicht, warum ich immer wieder allein dastehe. Schließlich weiß ich doch, wie man eine echte Lady behandelt. Ich werde bald fünfzig. Soll ich dann etwa auch noch jeden Abend Konservendosen öffnen und diesen Fraß in Unterwäsche hinunterschlingen?« Das Bild musste ich erst mal wieder abschütteln, aber dann merkte ich, dass ich gerührt war. Arthur fühlte sich einsam. Allerdings war er schon längst fünfzig, wenn ich richtig rechnete.
Das war, kurz nachdem Ted, Jules’ acht Jahre jüngerer Exfreund, mit einem Koffer voller Hawaiihemden nach Maui abgereist war. Ich hätte Jules zwar nicht einsam genannt – ihr Terminkalender ist immer so proppenvoll, dass sie sich wahrscheinlich sogar die Zeit für den Gang auf die Toilette einträgt –, aber warum sollte sie denn allein bleiben? Ganz spontan gab ich Arthur ihre Nummer. Würde er sie überhaupt anrufen? Würde sie sich auch nur auf ein Glas Wein mit ihm treffen? Oder würde sie sich unsagbar ärgern, nachdem sie es getan hätte? Ich hatte keine Ahnung, aber das mit der Chemie zwischen zwei Menschen war mir sowieso ein Rätsel. Was hatte mich zu Xander gezogen? Die Antwort auf diese Frage hob ich mir für meinen Therapeuten auf, falls ich mich je entscheiden sollte, einen aufzusuchen.
»Wie wunderbar. Ich freue mich sehr, dass ihr beide …« Zusammen seid? So was sagen Teenager. »Ein Paar seid. Ihr habt sicher viel Spaß miteinander.«
»Spaß? Diese Jules ist wie ein Wirbelwind. Und hat immer wieder völlig ausgefallene Restaurants auf Lager.«
Sogar ich wusste, dass
ausgefallen
in New York so viel hieß wie
billig
, und da fiel mir Arthurs legendärer Geiz wieder ein. Als ich die Agentur verließ, schenkte Arthur mir zum Abschied einen Aschenbecher mit dem eingravierten Logo des Ritz-Carlton in Half Moon Bay, und sein letztes Weihnachtsgeschenk für mich war ein Kaffeebecher aus den Diorissimo-Werbebeständen. Und zu Dashs Geburt schickte er einen rosa Strampelanzug mit Prinzesschen vorne darauf, der noch als Pressegeschenk verpackt war.
Ich klemmte den Telefonhörer wieder unters Kinn und warf Strandschuhe zu meinen Sachen. Ich wollte alles beisammen haben, bevor Dash und Jamyang wiederkamen, damit wir dann alle zusammen Mittag essen konnten. Und danach wollte ich unbedingt noch ein bisschen Zeit allein mit Dash verbringen und ihm die Handpuppen zeigen, die ich gekauft hatte – der Chirurg gefiel mir am besten. Arthur plauderte immer weiter.
»Hast du schon vom
Coup de grâce
gehört?«, rief er.
Coup de
was? »Ich glaube nicht.«
»Jules hat eine umwerfend schöne Wohnung für mich gefunden. Hat sie einfach so aus dem Ärmel geschüttelt.«
»Wo denn?«, fragte ich abwesend. Den roten Badeanzug hatte ich, den mit den rosa Tupfen auch. Aber wo war der blaue, in dem ich aussah, als hätte ich Kurven an genau den richtigen Stellen? Weg. »Erzähl doch mal von der Wohnung«, sagte ich, obwohl ich nur halb hinhörte.
»Frag deine Freundin danach. Ich sage nur, ich habe sie sozusagen direkt vor der Nase.«
Ich entdeckte den blauen Badeanzug inmitten eines Stapels von Sarongs.
Soll ich von denen ein paar mitnehmen oder wären Sweatshirts besser?
»Hattest du nicht gesagt, du rufst aus zwei Gründen an?«
»Natürlich«, sagte er. »Das hätte ich fast vergessen. Ich werde langsam alt, Chloe.« Diesmal sprach er meinen Namen extra deutlich aus wie ein Französischlehrer, der
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