Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
diesen Beschwörungen das Böse bannen. Für die Frauen in unserer Familie war der Aberglaube die wahre Religion, denn daran hingen wir sehr viel mehr als an allen Alltagsriten des Judentums. Wie wir uns Salz über die linke Schulter warfen – da könnte man meinen, wir drei wohnten an einem Waldweg bei Anatevka, pinkelten noch in Pötte und rupften Hühner. Selbst Tom, der so christlich war, wie es nur ging, hatte gelernt, das eigene Glück nicht durch voreiliges Aussprechen zu gefährden.
»Wenn es gute Neuigkeiten gibt, bist du die Erste, die’s erfährt«, sagte ich.
Das Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir ist absolut symbiotisch. Ich weiß, dass Quincy um ihre Mutter trauert, die an Alzheimer gestorben ist. Chloe dagegen scheint eher Angst vor dem Drachen von einer Mutter in Connecticut zuhaben, und Jules schimpft immer über ihre Ma, weil die nichts anderes macht, als die Hand nach Geld aufzuhalten, wenn sie nicht gerade betrunken ist. Diese beiden Frauen sind nicht die idealen Mütter, doch warum können meine Freundinnen die Probleme, die sie mit ihnen haben, nicht trotzdem lösen? Es sind immerhin ihre
Mütter.
In dieser Hinsicht bin ich völlig intolerant.
Nach meinem Studienabschluss an der Wesleyan University – Xander war nicht der einzige Stipendiat gewesen – hatte ich beschlossen, mein Glück in New York zu versuchen. Ich fürchtete, meine Eltern würden sich vor Trauer grämen, wenn sie es erfuhren. Doch Sam und Mira Fisher verfolgten ihre ganz eigene Strategie. Sie gaben mir einfach Zeit, um wieder zur Vernunft zu kommen, und nahmen an, dass ich nach ein oder zwei Semestern mit grauem Himmel und völlig überfüllten U-Bahnen den Strand vermissen würde und, ja, auch unsere Mischpoche, die Familie.
Sie rechneten allerdings nicht mit meinem Goi. Kein Fisher glaubte je daran, dass das mit Tom und mir halten würde. Doch seit jener Nacht, in der wir zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, hatte ich mich nie mehr nach einem anderen Mann umgesehen. Meine Familie erwartete auch nicht, dass ich die Meeresbiologie einfach so aufgeben oder dass ich verkünden würde, ich müsse unbedingt nach Manhattan ziehen – und nicht nur, weil Tom nach seinem Jahr in England dorthin wollte, sondern weil man dort eben hinging, wenn man Verlagslektorin werden wollte, was urplötzlich mein Wunsch war.
Wie ich stattdessen in der Werbung landete, ist schnell erzählt. Im ersten Vorstellungsgespräch, das ich überhaupt je hatte, ging es um einen Job in der Werbeabteilung einer Zeitschrift, näher bin ich Buchverlagen nie gekommen. Und während die meisten meiner Freunde große Probleme hatten, einen Job zu finden, wurde ich umgehend eingestellt und kletterte mit so beschämender Kontinuität die Karriereleiterhinauf, dass ich meine Absicht aufgab, der weibliche Max Perkins zu werden und dem F. Scott Fitzgerald meiner Generation die Hand zu halten. Werbetexte schreiben fiel mir einfach zu leicht – zack, zack, zack, es war genau wie reden, nur auf Papier. Irgendwann wechselte ich dann von der Zeitschrift zu einer Werbeagentur.
»Sag mir sofort Bäscheid, wenn du etwas Neuäs über dän Job weißt, värsprochän,
Bubbele?
«, sagte meine Mutter und holte mich damit wieder in die Gegenwart zurück.
»Versprochen. Kann ich auch noch Daddy sprechen?«
»Er ist in där
Schul
.«
Natürlich. Er war beim Morgen-
Minjan
in der Synagoge. »Gib ihm einen Kuss von mir. Und sag ihm, Henry ist ganz vernarrt in das Buch, das ihr ihm geschickt habt.«
»Das war alläs, was du als Mädchän tun wolltest, immär die Nase ins Buch steckän. Wir wussten, du wirst einmal schreibän.«
Ich bin immer wieder entsetzt, dass meine Mutter mich für eine Art Schriftstellerin hält, aber ich habe es aufgegeben, sie zu korrigieren. »Tschüs, Mommy. Ich liebe dich.«
»Ich liebä dich auch, mein Lieblink.« Damit legte sie auf, und ich schloss die Augen, während ich die Monate – zu viele – bis zum nächsten Besuch meiner Eltern zählte. Ich habe aufgehört, ihnen vorzuschlagen, zu uns an die Ostküste zu ziehen, denn trotz all ihrer europäischen Gewohnheiten sind sie doch echte Angelenos geworden und an das milde Klima in Los Angeles gewöhnt. Und Tom würde eher nach Tansania ziehen, als mehr als eine Woche pro Jahr in Südkalifornien zu verbringen, wo die Leute seiner Meinung nach nur ein einziges Thema kennen, nämlich, wie lange es dauert, von A nach B zu kommen.
Ich wandte mich wieder
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