Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
aschblond geworden. Bei deinen blauen Augen kann’s durchaus heller sein als Honigblond, aber Elfenbein wäre definitiv zu viel. Willst du zu meinem Farbspezialisten gehen? Er ist …«
Normalerweise legte ich Wert darauf, niemandem ins Wort zu fallen. Doch diesmal tat ich es. »Es ist mein Inneres, das ich verändern will.« Ich klang schon bestimmter als die Frau, die ich zu werden hoffte.
»Aber du hast doch alles – beste Brooklyner Adresse, süßes Kind, tollen Mann. Was willst du denn verändern?«, spöttelte Jules. Sie war genauso wenig ein Fan von Xander wie er von ihr.
»Wie wär’s, wenn ich dich zum Lunch einlade und es dir erkläre?«
Ich erwartete, dass sie es in den nächsten Monat schieben würde. Doch Jules nannte ein Bistro in SoHo und sagte, sie könne sich dort in drei Stunden mit mir treffen. Das allein sagte mir schon, dass etwas nicht stimmte, und ihr Aussehen verstärkte diesen Eindruck nur noch. Die Nägel von Miss Handmodel Jules sahen aus, als hätte sie kürzlich das Laubeines ganzen Obstgartens mit den Fingern geharkt, und statt der üblichen schokoladenbraunen Wellen, die ihr sonst wie Zuckerguss über die Schultern fielen, war ihr Haar zu einem schlaffen Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug eine große rote Brille und ein schlabberiges schwarzes Flatterkleid, über das sie eine Strickjacke in einer undefinierbaren Schlammfarbe gezogen hatte. Dennoch gelang es mir, ihr ein Kompliment zu machen. »Diese Brille«, sagte ich. »Die Leute werden glauben, dass du eine Kunstgalerie leitest.«
»Lügnerin. Ich seh aus wie ein wandelndes Fahndungsfoto.«
Ich begann, die Speisekarte zu studieren, als wären es wichtige Unterlagen. Jules verschluckte sich an ihrem Mineralwasser und hustete. Ich versuchte, über das Verhalten dieser Hochstaplerin, die offenbar Jules darstellen sollte, hinwegzusehen. »Rot oder weiß?«, fragte ich. Immerhin waren wir in einem Bistro, das für seinen Weinkeller berühmt war.
»Für mich nicht, danke.« Sie nahm sich Brot aus dem Korb, tunkte es in Olivenöl, biss ab und rief nach einem Kellner, indem sie verkündete: »Ich verhungere gleich.« Wenigstens ihr Appetit und ihr Umgang mit der Bedienung waren noch intakt. Binnen zwanzig Sekunden stand ein junger Mann an unserem Tisch, der auch auf dem Laufsteg eine gute Figur gemacht hätte.
»Bonjour«,
begann er mit einem Akzent, der wie eine Mischung aus Französisch und Italienisch klang. »Ich bin Michel. Darf ich Ihnen unsere
spécialités du jour
empfehlen?«
»Wir haben uns schon entschieden, Michel«, sagte Jules, obwohl ich noch nie erlebt hatte, dass sie sich nicht über die Spezialitäten des Tages informieren ließ als wären es Aktien, die sie zu kaufen beabsichtigte.
»Mademoiselle?«, fragte der Kellner an mich gewandt.
»Oh, ja, ich nehme den
Salade niçoise
. Aber das Dressing bitte separat.«
»
Grazie
, Mademoiselle.« Dann drehte er seine schmalen Hüften zu Jules herum. »Madame?«
Jules überging die Beleidigung. »Für mich den Hamburger, außen scharf angebraten, innen medium, aber nicht zu blutig, und die Pommes frites bitte auf einem extra Teller, sehr kross und mit Essig, nicht Ketchup.« Als der Kellner verschwunden war, sah sie mich an. »Was soll denn dieser Dressing-Unsinn?«
Ich war ein Teelöffel im Vergleich zur Schöpfkelle Jules, die in letzter Zeit sogar noch zugenommen zu haben schien. »Ich versuche, meine Essgewohnheiten umzustellen«, gab ich zu.
»Oh, prima.« Sie nahm sich noch mehr Brot. »Jetzt erzähl mal, welche Krise führt uns an diesen Tisch?«
»Es ist weniger ein Krise, eher ein Dilemma.«
»Chloe?« Ihr Blick besagte:
Ich habe heute auch noch was anderes vor.
»Die Zeit ist gekommen, mein Selbstvertrauen aufzuwerten«, verkündete ich. »Ich hatte auf ein paar aufmunternde Worte von dir gehofft oder wenigstens auf eine deiner Regeln.«
»So was wie:
Sag nie, dass du eine Diät machst, wenn deine Freundin gerade den ganzen Brotkorb leer gefressen hat?
«
»Genau.«
Jules stützte ihr Kinn in die Hand und sah mir direkt in die Augen. »Entschuldige, war nicht so gemeint. Ich habe zurzeit selbst eine Menge am Hals, das ist alles. Aber dazu fällt mir tatsächlich etwas ein. Ich habe immer daran geglaubt, dass man Selbstvertrauen gewinnt, indem man auf seine innere Stimme hört, die sowieso längst die Antwort kennt. Verlass dich auf deinen Instinkt.«
Ich hielt einen Moment inne. Die Worte meiner Mutter, vornehm und silberhell, drangen
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