Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Abspeck-Workouts vor dem Zubettgehen, das einen Ausgleich zum Yoga bot, das ich inzwischen fünfmal die Woche machte. Außerdem hatte ich mich tief in die virtuelle Welt der Chatrooms begeben. Doch weil ich weder pädophil noch spiel- oder sexsüchtig und auch kein Vergewaltigungsopfer war – sondern nur die durchschnittliche Heulsuse, für die schon das Tragen eines trägerlosen Kleides ein gewagtes Unterfangen war –, fand ich dort keine Hilfe.
An diesem Morgen rührte ich fettarme Milch in meinen Kaffee – wenn ich mich weiterentwickeln wollte, würden die drei letzten Kilo aus der Schwangerschaft weichen müssen – und machte eine Liste meiner Ziele. »Dash auf die Jackson Collegiate einschulen« war Nummer eins, gefolgt von »neuen Job finden«, obwohl ich nicht mehr Ehrgeiz besaß als ein Sittich. Als ich gerade mein drittes Ziel aufschrieb, »einen Therapeuten oder Lebensberater aufsuchen«, kam Xander indie Küche und küsste mich hinters Ohr. Er roch nach Mundwasser und Limonen-Aftershave. Sein dunkelblondes Haar, das vom Duschen noch feucht war, fiel ihm in die Stirn und kitzelte meinen Nacken.
»Ein Lebensberater?«, fragte er. »Wozu das denn? Gibt es nicht Wichtigeres?« Xander ist ein Mann, der zu viel zu tun hat, um den Blick nach innen zu richten. Da ist die Firma, sein Sport-Club, die Ehemaligenvereinigung der Harvard Business School, Golf, seine Sammlung seltener Buchausgaben und das Abo der ›Financial Times‹ sowie drei anderer Zeitungen, die er von hinten bis vorne liest. Und für Dash und mich muss ja auch noch Zeit bleiben. Doch für mich zählte seine Stabilität am meisten. Neben Xander ist selbst das größte Hindernis mühelos zu überwinden.
»Ich finde, etwas Weiterentwicklung kann nicht schaden«, sagte ich, nachdem ich ihn auf die Wange geküsst und eine Schale Himbeeren aus dem Kühlschrank geholt hatte. Ich wusch eine Handvoll ab und trocknete jedes Juwel sanft mit einem Papiertuch ab, ehe ich mein Bio-Müsli damit verzierte. Ich trat einen Schritt zurück und bewunderte mein gesundes Frühstück.
»Wenn das so eine sinnlose Suche nach Perfektion ist«, begann Xander und schenkte sich Kaffee ein, »dann ist es …« Etwa zu der Zeit, als andere Leute die Kohlehydrate aufgaben, hatte er aufgehört zu fluchen. »Unsinn«, sagte er schließlich.
»Das ist kein Unsinn«, erwiderte ich nachdrücklich. »Ich muss mir Ziele setzen und diese auch erreichen.«
So wie du es ganz instinktiv tust.
Xander würde nie zugeben, dass er ständig an seiner Vervollkommnung arbeitet, ein Prozess, der seinem Charakter so natürlich ist, dass er ihn gar nicht als Anstrengung wahrnimmt.
»Du klingst schon wie diese Fernsehsendungen, die du dir ansiehst«, sagte er, trank einen Schluck Kaffee und starrte auf seinen Becher. »Was ist das?«
»Entkoffeiniert.«
Er goss den Rest des Kaffees in den Ausguss und griff nach seiner Aktentasche. »Es ist doch nicht irgendein Problem zwischen dir und mir, oder?«
»Ich habe nie gesagt, dass ich ein Problem habe. Ich will einfach mit jemandem reden, der …« Klüger? Analytischer? »Objektiver ist.«
»Rede mit Jules«, schlug Xander vor. »Die Frau hat doch auf alles eine Antwort.« Mein Mann hatte ihr nie verziehen, dass sie ihm jeden einzelnen Grund aufgezählt hatte, der gegen die Anschaffung eines Jaguars sprach, und das nachdem er gerade einen gekauft hatte. Und dass dieses heiß geliebte Auto fast genauso viel Zeit in der Garage einer Werkstatt verbrachte wie in unserer eigenen, hatte Xanders Abneigung gegen Jules nur noch verstärkt. »Oder mit Talia. Wie heißt das gleich wieder? Seid ihr nicht ABFFL?«
»Wo hast du das denn her?«
»Wie? Darf ich auf der Toilette etwa keine Frauenzeitschriften lesen?«
Ich sah demonstrativ auf die Uhr. »Hast du nicht gesagt, du hast gleich heute Morgen ein Meeting?«
»Habe ich, du unendlich faszinierendes Geschöpf.« Xander küsste mich und ging auf die Tür zu. »Wir machen da später weiter«, sagte er. »Ich komme heute Abend früh nach Hause. Spätestens um Viertel nach acht bin ich da.«
Ich wandte mich wieder meinem Notizblock zu. Soweit ich wusste, war keiner aus meiner Verwandtschaft, nicht mal aus der entfernten, je von einem Psychologen behandelt worden. Den McKenzies fiel es schon schwer genug, miteinander zu reden. Doch einen Profi zu konsultieren schien mir genau das Richtige zu sein, wenn man aus eigener Kraft keine Veränderung herbeiführen konnte. Quincy war nach
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