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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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anderen Ende des schmalen Ganges begann Michel mit seiner Durchsuchung in der Gästekammer, danach betrat er den Raum, in dem früher Ludowig geschlafen hatte und der jetzt für Colin hergerichtet worden war.
    «Aber holla», hörte sie ihn rufen. «Wen haben wir denn da? Du bist aber ein großer Junge, was? Und so eine hübsche Magd!»
    Adelina stellten sich unwillkürlich die Nackenhaare auf. Mit wenigen Schritten war sie in der Kammer ihres Sohnes und starrte auf Michel, der Colin angrinste und dabei Franziska, die bei seinem Eintreten von ihrem Hocker aufgesprungen war, anzüglich am Hinterteil tätschelte.
    Als Adelina das kurze, aber entsetzte Aufflackern in den Augen der Magd erblickte, sah sie rot. Sie stürzte sich auf den überraschten Michel und zerrte ihn grob aus der Kammer. «Raus hier!» Ihre Stimme zitterte leicht. «Verschwinde sofort aus meinem Haus!»
    «He, was ist denn jetzt los?» Michel versuchte sich ihrem Griff zu entwinden und starrte sie an, als habe sie den Verstand verloren. «Ich bin mit der Durchsuchung noch gar nicht fertig. Ihr könnt nicht einfach …»
    «Raus, habe ich gesagt!» Adelina wurde lauter. «Ich dulde das nicht. Verschwinde!» Fast kippte ihre Stimme über.
    «Herrin?» Am Fuß der Treppe erschien Magda, imSchlepptau Moses, an dessen Schnauze noch Reste des Knochens klebten. Er knurrte leise. «Was geht dort oben vor?»
    «Ich will, dass dieser Mann sofort mein Haus verlässt.»
    «Gute Frau, was ist geschehen?» Hinter Adelina war Hugo aus dem Schlafzimmer getreten und blickte fragend zwischen ihr und Michel hin und her.
    Adelina wandte sich ihm zu. «Niemand fasst noch einmal meine Magd an, verstanden? Ich dulde es nicht. Verlasst mein Haus, oder ich lasse Euch von Ludowig hinauswerfen.»
    «Herrin, es ist schon gut, ich …» Franziska zuckte zusammen, als nun sie von Adelinas wildem Blick erfasst wurde.
    «O nein, es ist nicht gut. Das mache ich nicht ein weiteres Mal mit.» Wieder packte Adelina Michel am Arm und schob ihn mit aller Kraft zur Treppe. «Ihr auch», fauchte sie Hugo an. «Hinaus mit Euch!»
    «Braucht Ihr Hilfe, Herrin?» In der Hintertür tauchte Ludowig auf, der wohl die aufgeregten Stimmen vernommen hatte. «Machen die Kerle Euch Ärger?» Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er Franziska auf der Treppe sah. «Ich kann sie hinauswerfen, wenn Ihr wollt.»
    Adelina schob grimmig das Kinn vor. «Nicht nötig, sie gehen von selbst.» Sie fixierte Hugo. «Jetzt sofort.»
    Der Büttel wich ihr aus und schob seinen Kollegen zur Apotheke. «Also gut, Meisterin Burka, wir gehen. Aber die Durchsuchung muss dennoch …»
    «Raus, sage ich!»
    ***
    «Was hast du dir nur dabei gedacht, die Büttel aus dem Haus zu werfen?» Marie saß neben Adelina am Tisch in der Küche und drückte ihre Hand. Ihnen gegenüber saßen Neklasund Jupp und drehten schweigend ihre Trinkbecher zwischen den Fingern. Auch das Gesinde saß mit betretenen Mienen am Tisch. Vitus hingegen hockte auf der Ofenbank und spielte mit Colin, der begeistert auf den Knien seines Onkels ritt und dabei vergnügt kicherte.
    Die beiden nahmen die gedrückte Stimmung nicht wahr – Colin, weil er noch zu klein, und Vitus, weil er seinem kleinen Neffen verstandesmäßig kaum überlegen war.
    Vitus war ein Simpel, bei seiner Geburt war etwas schiefgegangen, und deshalb besaß er nur den Verstand eines Kleinkindes. Mittlerweile war er ein erwachsener Mann von knapp neunzehn Jahren mit einem hübschen, wenn auch auf einer Seite etwas schiefen Gesicht, auf dem ihm ein dunkler Bart spross, den Adelina ihm regelmäßig stutzte. Sein Haar war so schwarz wie ihres, seine Augen ebenso blau. Obwohl er in den vergangenen Jahren noch einmal erheblich gewachsen und kräftiger geworden war, ging er mit Colin stets so behutsam um wie mit einem winzigen Entenküken – oder seiner Katze Fine.
    «Nun werden sie bestimmt erst recht wiederkommen», wiederholte Jupp, was Marie zuvor schon vermutet hatte. «Du weißt, wie empfindlich der Rat reagieren kann.»
    «Ich dulde sie nicht in meinem Haus!» Auch jetzt zitterte Adelinas Stimme leicht. «Nicht noch einmal.»
    Franziska seufzte leise. «Alles nur, weil der Kerl mir an den Hintern gefasst hat.»
    «Nein!» Adelina hob den Kopf und starrte ihre Magd aufgebracht an. «O nein, Franziska. Ich habe genau gesehen, dass du …» Sie stockte. «Das lasse ich nicht zu.» Sie schluckte.
    «So beruhige dich doch!» Besorgt legte Marie ihr einen Arm um die Schultern.

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