Frevel im Beinhaus
verschränkte sie die Arme vor ihrem Bauch. «Also gut. Aber haltet Euch von meinen Mädchen und den Mägden fern», sagte sie im gleichen Ton, den auch er angeschlagen hatte. «In diesem Haus haben Soldaten der Stadtwache in der Vergangenheit mehr als genug Schlimmes angerichtet.»
Greverodes Blick gefror zu Eis. «Die Männer wurden damals zur Rechenschaft gezogen.»
«Ich weiß. Einen von ihnen habt Ihr fast zu Tode geprügelt.» Dummerweise war sie ihm heute noch dankbar dafür. Sie hielt seinem Blick stand, obwohl die Kälte, die in ihmlag, sie schaudern ließ. Mit den nächsten Worten tat sie ihm Unrecht, das wusste sie, doch sie musste sie aussprechen: «Wer den Mädchen auch nur zu nahe kommt, wird sich wünschen, an der Stelle jenes Mannes gewesen zu sein.»
«Ich denke, wir sollten einander nicht unnötig feindselig …», setzte Reese vorsichtig an, verstummte jedoch, als Greverode sich ruckartig abwandte und zur Tür hinausrauschte.
Moses stieß ein kurzes, aber triumphierendes Bellen aus. Adelina blickte dem Hauptmann nach, dann ließ sie sich erschöpft auf die Ofenbank sinken. Sofort kam Magda aus der Ecke hervor, in die sie sich zurückgezogen hatte, um sich möglichst unsichtbar zu machen. «Herrin, geht es Euch wohl? Kann ich etwas für Euch tun?»
«Nein, ist schon gut, Magda, alles in Ordnung.» Adelina rieb sanft über ihren Bauch, in dem das Kindchen wieder einmal unbekümmert um sich trat. In Wahrheit war nichts in Ordnung. Sie fürchtete sich davor, Greverode von nun an Tag und Nacht im Haus zu haben. Doch sie würde ihm nicht den Gefallen tun, ihm das zu zeigen. Ihm nicht und niemandem sonst. Sie hoffte nur, dass Neklas wirklich in wenigen Tagen wieder aus dem Gefängnis freikam. Sie sehnte sich nach ihrem ruhigen Leben und der alltäglichen Arbeit in der Apotheke.
11
«Du musst es ihr erzählen», hörte Adelina Griets leise, eindringliche Stimme. «Vielleicht kann sie dir irgendwie helfen.»
«Ach, was soll sie schon groß ausrichten können», antwortete Mira ebenso leise. «Er kann über mich bestimmen, wie er will. Vielleicht habe ich ja Glück, und er lässt mich wenigstens …»
Unter Adelinas Füßen knarrten die letzten beiden Stufen, die zu Griets Kammer hinaufführten, und Mira verstummte.
«Was geht denn hier vor?», fragte Adelina mit milder Strenge. «Wisst ihr zwei eigentlich, wie spät es ist? Ihr solltet längst in euren Betten liegen und schlafen.»
«Entschuldige, Mutter.» Griet senkte schuldbewusst den Blick. «Es war so schwül, dass wir beide nicht einschlafen konnten. Und da kam Mira rauf und hat mir erzählt …»
Ein warnender Laut von Mira ließ Griet verstummen.
«Ich gehe schon wieder», sagte Mira rasch. «Vielleicht kann ich jetzt ja besser schlafen.» Sie stand von der Bettkante auf und wollte schon zur Tür hinaushuschen, doch Adelina hielt sie zurück.
«Du hast heute einen Brief und ein Geschenk von deinen Eltern erhalten, nicht wahr?»
Mira erstarrte, nickte dann aber. «Ja, Meisterin.»
«Sie scheinen dich ja zu vermissen, dass sie dir so kurz nach deiner Abreise schon etwas bringen lassen. Was war denn in der Kiste?»
«Kleider.»
Überrascht blinzelte Adelina. «Schon wieder Kleider?Aber du hast doch erst so viele von deinem Besuch mitgebracht.»
«Sie wollen …» Miras Kinn zitterte leicht, dann zuckte sie die Achseln. «Mich eben verwöhnen», sagte sie schließlich etwas lahm. «Vater behauptet, dass man mir meinen Stand ansehen müsse, auch wenn ich jetzt arbeite wie gewöhnliche Menschen.»
«Wie gewöhnliche Menschen?», echote Adelina etwas ratlos.
Mira winkte ab. «Er ist immer noch verstimmt, weil Mutter mich hierhergeschickt hat statt ins Kloster. Er sagt, dort hätte ich schnell Karriere machen können. Er denkt …» Sie hielt inne und schüttelte den Kopf. «Was soll’s, jetzt bin ich ja hier. Und ich bin schon ganz müde, Meisterin.» Sie tat, als müsse sie gähnen. «Gute Nacht.»
Adelina sah ihr irritiert nach. «Gute Nacht, Mira.» Dann wandte sie sich an Griet. «Stimmt etwas nicht?»
«N … nein, alles in Ordnung.»
«Hat Mira sich nicht über die Geschenke ihrer Familie gefreut?»
Griet zuckte ebenfalls mit den Schultern und schwieg. Adelina erkannte, dass, was auch immer Mira bewegte, Griet darüber schweigen würde. «Also gut.» Sie würde ihre Stieftochter nicht zwingen, ein Geheimnis preiszugeben. «Dann schlaf auch du jetzt.» Sie drehte sich zur Tür um. «Mira steckt doch nicht in irgendwelchen
Weitere Kostenlose Bücher