Frevel im Beinhaus
wieder zu Atem. Er warf Adelina einen wütenden Blick zu. «Bringt diesen Verrückten hinaus, Meisterin. Ein solches Verhalten kann ich nicht dulden.»
Adelina blitzte erbost zurück. «Ihr habt es Euch selbst zuzuschreiben. Vitus versucht nur, mir zu helfen.»
«Euch zu helfen, elendes Weib? Schafft ihn hinaus. Wenn er mich noch einmal angreift …»
«Nicht anschreien!», kreischte Vitus und schaffte es, sich aus Reeses Griff zu befreien. Erneut stürzte er sich auf Greverode. «Niemand darf böse sein zu meiner Lina.» Bevor er Greverode noch einmal einen Stoß versetzen konnte, traf ihn dessen Faust mit einem dumpfen Geräusch in der Magengrube. Röchelnd ging Vitus zu Boden und krümmte sich wimmernd.
«Ihr verdammter Mistkerl!», schrie Adelina ihn an und ging bestürzt neben ihrem Bruder in die Knie. Ihm liefen die Tränen übers Gesicht, und er heulte wie ein Kleinkind; dabei hielt er die Hände auf die Stelle gepresst, an der ihn der Schlag getroffen hatte. Er wiegte sich leicht vor und zurück. «Das ist es, was Ihr könnt, ja? Einen Jungen schlagen, der den Verstand eines Dreijährigen hat.» Voll Abscheu blickte sie zu ihm auf. «Ihr wisst, dass Vitus ein … Er weiß es nicht besser. War das wirklich nötig?» Sie strich ihrem Bruder sanft übers Haar. «Komm, mein Schatz. Steh auf und geh mit Fine in deine Kammer.»
«Der Mann hat dich festgehalten und war böse zu dir», heulte Vitus und kam mit Adelinas Hilfe umständlich auf die Beine. «Das soll er nich.» Als er wieder aufrecht stand,starrte er Greverode aus verquollenen Augen anklagend an. «Du darfs’ das nich. Meine Lina is lieb. Und Neklas und alle.» Er schluckte und fügte dann dumpf an: «Du bist böse.»
Greverodes Augen weiteten sich. Er und Vitus blickten einander einen langen Moment schweigend in die Augen, bis von der Tür her ein ersticktes Räuspern erklang. Dort stand Franziska und beobachtete die Szene mit großen Augen. Mehrmals ging ihr Blick zwischen Vitus und Greverode hin und her, dann trat sie beherzt ein und nahm Vitus bei der Hand. «Komm, ich bringe dich in deine Kammer.»
Vitus ließ sich anstandslos hinausführen. Vor der Tür wurde Getuschel laut; offenbar hatte der Tumult auch die Mädchen und Ludowig angelockt. Franziska brachte sie sogleich wieder zum Schweigen und schloss die Tür hinter sich.
Nun war für einen Moment nichts als Moses’ leises Knurren zu vernehmen. Er stand mit gesträubtem Fell neben Adelina und ließ den Hauptmann nicht aus den Augen. Seine zitternden Lefzen machten allzu deutlich, dass es lediglich einer falschen Bewegung bedurfte, um den Hund zum erneuten Angriff zu reizen.
Verärgert blickte Greverode auf Moses hinab, dann wieder in Adelinas Gesicht. «Ihr habt hier jeden auf Eurer Seite, nicht wahr? Wie immer.» Seine Stimme klang plötzlich bitter. Er biss die Zähne so fest zusammen, dass ein Muskel in seiner Wange zuckte. «Fortan werdet Ihr mich um Erlaubnis fragen, bevor Ihr das Haus verlasst.»
«Wie bitte?»
«Hauptmann Greverode, das ist nun wirklich nicht nötig», mischte sich Reese begütigend ein. «Ihr kennt Frau Adelina doch. Man kann verstehen, dass sie sich um ihren Mann sorgt. Wie die Dinge derzeit stehen, gibt es keinen Grund anzunehmen …»
«Eben weil ich sie kenne», unterbrach Greverode ihn. «Solange der Mord und des Magisters Beteiligung daran nicht hinreichend geklärt sind, habe ich Order, die Familie im Auge zu behalten, Herr Gewaltrichter. Das wisst Ihr, und daran werdet Ihr nichts ändern. Der Vogt hat es angeordnet – mit Zustimmung der Schöffen. Da meine beiden Soldaten offenbar nicht in der Lage sind, diese Aufgabe zu erfüllen, werde ich ab heute selbst dafür sorgen, dass in diesem Hause Ordnung herrscht.»
Adelina riss die Augen auf. Das fehlte ihr noch, dass ausgerechnet Greverode in ihr Haus einzog. Er konnte sie nicht ausstehen, seit sie einander zum ersten Mal begegnet waren. Nicht auszudenken, welchen Unfrieden seine Anwesenheit heraufbeschwören würde.
Greverode schien ihre Gedanken an ihrer Miene abzulesen, denn er blickte sie aus seinen kühlen blauen Augen herausfordernd an. «Ich warne Euch, Meisterin Burka. Noch ein Widerwort, und ich werde Euch tatsächlich anketten und einsperren lassen. Dazu bin ich durchaus befugt.»
Sie sah ihn voller Abneigung an, schluckte die Worte, die sich ihr auf die Zunge drängten, jedoch hinunter. Niemandem war damit gedient, wenn er seine Drohung wahr machte.
Sie atmete einmal tief durch, dann
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