Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
Vom Netzwerk:
sagte Adelina mürrisch und winkte ab. Sie wusste nur zu gut, dass Neklas die Dreistigkeit besessenhatte, einige seiner verbotenen Schriften in der Bibliothek des Erzbischofs zu verstecken.
    Ein kurzes Grinsen umspielte Neklas’ Lippen und zeigte ihr, dass er genau wusste, weshalb sie so harsch reagierte. Er wurde jedoch sofort wieder ernst. «Vater Emilianus hat mit dem Prozess in Italien nicht das Geringste zu tun. Mir fällt auch kein Grund ein, weshalb er mir Schaden zufügen sollte. Vermutlich weiß er nicht einmal, wer ich bin.»
    «Wenn Thomasius es ihm nicht erzählt hat.»
    «Warum sollte er?» Neklas nahm ihre Hand und spielte mit ihren Fingern. «Nun gut, mag sein, er hat ihm etwas erzählt, jetzt, da er sich als Inquisitor aufspielt und vor den Schöffen gegen mich ausgesagt hat. Aber selbst wenn – zu jenem Zeitpunkt war die Frau des Schusters bereits tot.» Flüchtig hob Neklas Adelinas Hand an seine Lippen, dann fuhr er fort: «Trotzdem sollten wir Thomasius aus unseren Überlegungen nicht herauslassen. Auch wenn er wohl kaum etwas mit dem Mord zu tun hat – und mit dem Knochenraub schon gar nicht –, liegt ihm ja ganz offenbar daran, mir erneut Schaden zuzufügen. Und dabei scheint er zu versuchen, sich selbst und seine Beteiligung an den Ereignissen in Italien möglichst elegant zu überspielen.»
    «Wie meinst du das?», fragte Adelina erstaunt.
    «Überleg doch: Was, sagte Reese, hat er als angeblichen Grund für meine Taten angeführt?»
    Adelina zögerte. «Die Suche nach diesem Panacea, dem Allheilmittel.»
    «Ein Allheilmittel?», rief Endres erheitert dazwischen. Er hatte ihrem Gespräch bisher aufmerksam gelauscht. «Das ist ein guter Witz. Sagt bloß, Ihr kennt ein Mittelchen, das alle Menschen gesund machen kann. Seid Ihr am Ende nur so ein Scharlatan wie die Theriakkrämer, die über die Jahrmärkte ziehen?»
    Neklas warf ihm einen vernichtenden Blick zu, über densich Endres zu amüsieren schien, denn er kicherte leise vor sich hin.
    «Richtig», sagte Neklas, nachdem er sich wieder Adelina zugewandt hatte. «Er sprach von Panacea, nicht vom …»
    «… Stein der Weisen», vollendete Adelina den Satz und begriff. «Er will nicht, dass seine Rolle damals zu genau beleuchtet wird, und lenkt deshalb die Aufmerksamkeit der Schöffen und des Vogtes auf das Panacea, damit sie gar nicht auf den Gedanken kommen, es könnte um Gold gehen.»
    «Eine Vermutung», bestätigte Neklas. «Jedoch eine sehr naheliegende. Mir stellt sich nur die Frage, warum er das tut. Jahrelang hat er uns in Frieden gelassen, und plötzlich schlägt er zurück. Da muss irgendetwas dahinterstecken.»
    «Aber was?»
    Neklas richtete sich etwas auf. «Das werden wir nur erfahren, wenn wir ihn zum Reden bringen.»
    «Wir?»
    «Du», verbesserte er sich.
    Adelina sah ihn ratlos an. «Wie soll ich das bloß anstellen? Ich werde doch Tag und Nacht bewacht.»
    Neklas nickte bedächtig. «Das ist richtig, aber …» Er hielt kurz inne, dann lächelte er vor sich hin. «Eine alte orientalische Weisheit besagt: Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten kommen. Verlange einfach, dass man Thomasius zu dir bringt. Behaupte, du würdest seinen geistlichen Beistand brauchen.»
    Adelina schauderte ein wenig. «Ob mir das jemand glaubt?»
    «Du kannst sehr überzeugend sein, mein Schatz.» Neklas küsste erneut ihre Hand. «Wenn irgend möglich, hol auch Jupp zu diesem Gespräch dazu. Du weißt, dass er dir beistehen wird.»
    Adelina nickte, machte aber nach wie vor ein skeptisches Gesicht.
    Von Endres’ Lager her klirrte es leise, als er sich auf die Seite legte und sich, ihnen zugewandt, genüsslich ausstreckte. «Eine orientalische Weisheit?», fragte er neugierig.
    Neklas warf ihm einen gereizten Blick zu. «Eine heidnische, um genau zu sein. Es heißt, sie handelt vom Propheten Mohammed.»
    Endres lachte schallend. «Oje, ich glaube, ich weiß jetzt, warum sie Euch loshaben wollen.»
    Er verstummte, als auf dem Gang vor der Zelle Schritte laut wurden. Offenbar nahm Pitter an, er habe Adelina nun genug Zeit gewährt. Schon ratschte der Riegel wieder über das Holz.
    Adelina versuchte aufzustehen, doch Neklas hielt sie am Arm zurück und raunte: «Der Brief.»
    Verständnislos sah sie ihn an.
    Die Zellentür schwang auf, und der Wachsoldat streckte den Kopf herein. «Es wird Zeit.»
    Neklas drückte Adelinas Arm und blickte sie eindringlich an. «Du weißt schon, der Brief, den Thomasius damals wegen

Weitere Kostenlose Bücher