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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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brennenden Kienspan von Adelina entgegen und stieg als Erste die Treppe hinab. Unten angekommen, blickte sie sich neugierig um. «Ein alter Vorratsraum», stellte sie fest. «Nichts Ungewöhnliches,würde ich sagen. Hier unten ist es schön kühl. Den Raum solltest du selbst auch wieder nutzen.»
    Adelina folgte Ludmilla schweigend in den Gang hinein, zeigte ihr, wo sie den Schädel und den Knochen gefunden hatte. Gemeinsam folgten sie nach der Rechtsbiegung dem Weg noch ungefähr zwanzig Schritt weit bis zu einer weiteren Biegung, hinter der sich wieder eine Tür befand, die mit ähnlichen Metallriegeln versehen war wie die erste. Doch sie war nicht verschlossen, sondern stand halb offen. Ein leichter Luftzug ließ die Flamme des Kienspans flackern.
    «Hier muss es irgendwo eine Luftzufuhr geben», stellte Ludmilla fest und stieß die Tür etwas weiter auf. Die Scharniere quietschten. «Man sollte meinen, diese … Heilige Maria im Himmel!» Erschrocken blieb sie stehen und bekreuzigte sich. «Das ist ja …» Plötzlich lachte sie auf. «Hier hast du dein Knochenversteck, Adelina. Schau her!»
    Adelina, die einige Schritte zurückgeblieben war, betrat ebenfalls den Raum und blickte sich entsetzt um. Auch sie bekreuzigte sich und starrte auf die übermannshohen Holzregale, in denen sich Hunderte und Aberhunderte Schädel und Gebeine stapelten. Etliche Knochen lagen auf dem Fußboden verstreut, und es sah aus, als hätten Ratten sie angenagt. Schaudernd tippte sie einen einzelnen Hüftknochen mit der Fußspitze an. «Was ist das hier?»
    Ludmilla ging zu einem der Regale und musterte die Gebeine eingehend, nahm sogar einen der Schädel in die Hand. «Ich würde sagen, dies ist ein Beinhaus», antwortete sie vergnügt. «So eines wie in der Rheingasse, aber wesentlich älter, will mir scheinen. Vermutlich wurde es schon vor Jahrzehnten aufgegeben. Schau, wie weit einige dieser Knochen bereits verrottet sind.»
    Adelina trat näher, wagte es jedoch nicht, die Gebeine zu berühren. Auf einigen von ihnen waren deutlich Reste vonBemalung zu erkennen. «Lieber Gott, wahrscheinlich haben Tiere den Schädel bis zu uns in den Gang geschleppt», sagte sie und spürte eine unaussprechliche Erleichterung in sich aufsteigen. «Ein Beinhaus, meiner Treu! Darauf wäre ich wirklich nicht gekommen.»
    «Und an ungewöhnlicher Stelle», ergänzte Ludmilla. «Hier ist kein Friedhof in der Nähe. Wir sind nicht weit von Eurem Haus entfernt und in Richtung Judengasse gegangen. Hoffen wir, dass dies nicht ein jüdisches Beinhaus ist.» Sorgsam legte sie den Schädel in das Regal zurück. «Hier ist eine weitere Tür», rief sie leise. «Sie hat oben eine vergitterte Luke. Offenbar kommt der Luftzug von dort. Lass uns …»
    «Halt, stehen bleiben!» Hinter ihnen wurden Schritte laut, und im nächsten Moment stand Greverode vor ihnen. Verärgert musterte er die beiden Frauen. «Das habt Ihr also im Keller getrieben», knurrte er ungehalten. «Ihr habt hier wohl einen geheimen Fluchtweg, wie? Darauf hätte ich ja gleich kommen können. Los, zurück mit Euch, Meisterin Burka. Und du auch, Alte.»
    «Nein», sagte Adelina, obwohl ihr das Herz vor Schreck bis zum Hals pochte. «Wir wollten nicht flüchten. Ich weiß ja nicht einmal, wohin diese Gänge hier führen.»
    «Ach nein?»
    «Nein, denn ich habe die Falltür gestern erst entdeckt. Ich wusste nicht, dass sie sich unter der Holzkiste befindet.»
    Greverode runzelte die Stirn. «Ihr haltet mich wohl für dumm, was? Diese Ausrede könnt Ihr jemand anderem verkaufen. Ihr kehrt jetzt augenblicklich ins Haus zurück, wo ich Euch in Eurer Kammer einsperren werde.»
    «O nein, das werdet Ihr nicht tun», fuhr Adelina auf. «Ich hatte nicht vor fortzulaufen. Wohin sollte ich auch gehen? Wir wollten nur sehen, wohin diese Gänge führen.» Da es sich offenbar nicht mehr vermeiden ließ, berichtetesie ihm in kurzen Worten, wie sie am Vortag die Falltür und danach die Gebeine entdeckt hatte. Selbst den Verdacht, der ihr zunächst gekommen war, ließ sie nicht aus. «Ihr müsst verstehen, dass ich der Sache nachgehen musste», schloss sie schließlich und blickte ihn abwartend an.
    «Ich muss gar nichts verstehen», grollte er. «Zunächst einmal hättet Ihr mich umgehend über Euren Fund in Kenntnis setzen müssen. Dann hätte ich …»
    «Was? Die Knochen heraufgeholt und sie zu Reese gebracht?», schoss Adelina zurück. «Glaubt Ihr wirklich, ich wäre ein derartiges Risiko eingegangen? Der

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