Frevel im Beinhaus
erschrocken nach Adelinas Arm. «Meisterin, geht es Euch nicht gut?» Dann fuhr ihr Kopf zu Greverode herum. «Schreit meine Meisterin nicht so an, Herr Hauptmann. Seht Ihr nicht, dass ihr das schadet?»
«Mira, sei still», presste Adelina zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. «Es geht mir gut.»
Mira schüttelte aufgebracht den Kopf. «Es geht Euch gar nicht gut, Meisterin. Jedes Mal wird es schlimmer, wenn er Euch so anbrüllt. Dazu hat er gar kein Recht, dieser …»
«Mira, halt den Mund!», fuhr Adelina sie an und rieb sich gleichzeitig den Rücken. «Niemand hat dir erlaubt zu sprechen. Entschuldige dich sofort bei Hauptmann Greverode für deine ungezogenen Worte.»
«Nein.»
«Wie bitte?» Adelina starrte ihr Lehrmädchen fassungslos an.
Mira schob trotzig das Kinn vor. «Nur weil er ein Mann ist und Soldat und … Hauptmann», das Wort spie sie geradezu aus, «… hat er nicht das Recht, Euch schlecht zu behandeln. Was könnt Ihr dafür, wenn unter Eurem Haus irgendwelche Geheimgänge sind?»
Adelina rang nach Atem. «Darum geht es nicht, Kind. Hör sofort auf …»
«Doch, darum geht es wohl», beharrte Mira. «Er sucht dauernd nach einem Grund, gemein zu Euch zu sein. Er ist genau wie mein Stiefvater. Hinterhältig und gemein …» Sie brach ab und blinzelte heftig. «Ihr würdet doch nicht einfach in die Gänge dort unten steigen und weglaufen, Meisterin.»
Da Adelina damit beschäftigt war, den Schmerz eines erneuten Tritts durch heftiges Atmen zu überwinden, antwortete sie nicht darauf.
Greverode hingegen musterte Mira mit strengem und zugleich aufmerksamem Blick. «Edle Jungfer, Ihr redet Euch um Kopf und Kragen. An Eurer Stelle würde ich ganz rasch schweigen und den Raum verlassen.»
Mira starrte ihn wütend an, dann erhob sie sich würdevoll und verließ hocherhobenen Hauptes den Raum. Adelinaatmete heftig aus. «Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist», sagte sie. «Ich muss mit ihr reden. So darf sie sich nicht benehmen.»
«Du solltest dich nicht so aufregen», widersprach Ludmilla und stand ebenfalls auf. «Das kann dem Kind tatsächlich schaden. Leg dich lieber für ein Weilchen hin, sonst gehst du das Risiko ein, dass es zu früh kommt.»
Adelina hob erschrocken den Kopf und legte dann schützend ihre Hände auf ihren Bauch. «Glaubst du wirklich?»
Ludmilla kräuselte die Lippen. «Ich weiß es, Liebchen. Diese ständigen Streitereien sind Gift für dich.» Sie wandte sich zu Greverode um. «Das solltet auch Ihr Euch merken. Eine Frau in Adelinas Zustand braucht Ruhe und Unterstützung, nicht Drohungen und Eure kleinliche feindselige Art.»
Greverodes Augenbrauen wanderten nach oben. «Meine kleinliche feindselige Art?» Er schüttelte den Kopf. «Für deine Frechheit könnte ich dich altes, vertrocknetes Weib drei Tage in den Stock legen lassen.» Mit gewittriger Miene erhob er sich und ging zur Tür. «Ganz offensichtlich bin ich in ein Narrenhaus geraten», schimpfte er und fixierte Adelina. «Ruht Euch gefälligst aus. Ich will nicht schuld sein, wenn Ihr zusammenklappt.» Er riss die Tür auf. «Und hört gefälligst auf, mir ständig zu widersprechen.» Damit rauschte er hinaus.
Die Anwesenden schauten ihm einigermaßen überrascht hinterher, doch niemand traute sich, etwas zu sagen, bis Ludmilla plötzlich erheitert kicherte. «Diesmal hat er das letzte Wort behalten, Adelina. Wenn ich es nicht besser wüsste …» Sie schüttelte den Kopf. «Zwei von einem Schlag.»
«Wie bitte?» Adelina sah sie empört an. «Mit diesem
Querkopp
habe ich nicht das Geringste gemein!»
Ludmilla lachte auf. «Bist du dir da sicher?» Bevor Adelinaetwas antworten konnte, winkte sie ab. «Eines steht jedenfalls fest: Wenn ihr zwei sturen Esel an einem Strang ziehen würdet, statt euch ständig gegenseitig an die Kehle zu gehen, würde es unsere Nachforschungen ganz sicher um einiges erleichtern. Nun komm, du solltest dich wirklich ein wenig niederlegen.»
Missmutig nickte Adelina und ließ sich von der alten Hebamme in ihre Schlafkammer begleiten. Dort legte sie sich voll bekleidet auf ihr Bett. Ludmilla wollte eine Decke über ihren Beinen ausbreiten, doch Adelina wehrte rasch ab. «Dazu ist es viel zu warm», sagte sie matt und schloss die Augen. «Hol Mira her. Ich muss mit ihr reden.»
«Du musst dich jetzt ausruhen. Deine Strafpredigt kann ruhig noch ein Weilchen warten.»
Adelina klappte die Augen wieder auf. «Ich liege im Bett, nicht wahr? Und ich bin schon wieder
Weitere Kostenlose Bücher