Frevel im Beinhaus
seinen Platz zurück und starrte vor sich hin. Als Adelina fertig war, herrschte zunächst betroffenes Schweigen, bis Marie das Wort ergriff. «Es fällt mir schwer, das alles zu glauben», begann sie, lächelte aber leicht und wandte sich Jupp zu. «Wenn ich die beiden so betrachte …» Ihr Lächeln vertiefte sich. «Und wenn man Vitus hinzunimmt, muss man aber doch zugeben, dass es eine gewisse Ähnlichkeit gibt. Meinst du nicht auch, Jupp?»
Zweifelnd hob Jupp die Schultern. «Groß kann die Ähnlichkeit nicht sein, sonst wäre sie mir vorher schon aufgefallen.» Er musterte erst Greverode, dann Adelina eingehend. «Mag sein, um die Augen herum …»
«Auf jeden Fall gleichen sie sich im Temperament», kicherte Marie plötzlich erheitert. «Kein Wunder, dass ihr so oft aneinandergeratet. Zwei Sturköpfe wie ihr können ja nur miteinander verwandt sein.»
«Ich bin nicht stur», protestierte Adelina.
Und gleichzeitig fuhr Greverode auf: «Wie könnt Ihr es wagen, mich stur zu nennen?»
Die beiden sahen einander verblüfft an. Marie gluckste und prustete dann los. Sogar Jupp konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. «Sagen wir, ihr seid beide äußerst hartnäckig in euren Ansichten», sagte er.
«Stur», bestand Marie auf ihrer Einschätzung. Sie lachte noch immer. «Ich bin wirklich froh, dass wir nun Bescheid wissen. Aber lasst uns endlich überlegen, was wir …»
Sie wurde unterbrochen, denn der Soldat Stache erschien in der Tür. «Die Alte ist wieder hier. Soll ich sie reinlassen?»
«Ludmilla?» Adelina straffte die Schultern. «Aber ja, schickt sie sofort zu uns herein!»
Das war jedoch gar nicht mehr nötig, denn Ludmilla war Stache bereits gefolgt und zwängte sich an ihm vorbei in die Küche. Überrascht blickte sie auf die Versammlung am Tisch. «Nanu, alle beisammen?» Sie ließ ihren Blick über die Anwesenden gleiten. «Gut, gut, so muss ich nur einmal berichten.»
Adelina bedeutete ihr, sich zu setzen. Magda stellte rasch einen weiteren Becher auf den Tisch. Ludmilla trank dankbar und wischte sich mit dem Ärmel ihres abgetragenen Kleides über die Lippen. «Ein gutes Bier ist das», lobte sie. «Genau recht bei diesem Wetter. Ich fürchte, wir bekommen heute noch ein heftiges Gewitter.»
«Was bringst du uns für Neuigkeiten?», fragte Adelina ungeduldig. «Warst du tatsächlich in der Unterwelt?»
«In der Unterwelt?» Überrascht hob Marie den Kopf. «Was meinst du damit?»
«Seid ihr jetzt völlig verrückt geworden?», fuhr Greverode dazwischen. «Sag bloß, du hast das alte Weib zu diesem Gesindel geschickt.»
Ludmilla lachte krächzend. «Immer mit der Ruhe, Herr Hauptmann. Mich hat noch niemals jemand irgendwohin geschickt.» Sie legte lauernd den Kopf auf die Seite. «Außer Euch. Ihr habt mich einst zu Turme bringen lassen, wenn ich mich nicht irre. Zumindest habt Ihr den Befehl dazu gegeben. Aber», ergänzte sie rasch, als sie seinen wütenden Blick bemerkte, «das soll jetzt gar nicht das Thema sein. Ich bin in diesem Fall ganz freiwillig losgezogen und habe mich ein bisschen umgehört. Die Gerüchteküche brodelt, wenn man erst einmal angefangen hat zu fragen.» Sie warf Adelina einen kurzen Blick zu. «Deine Suche nach besagtem Messer hat sich übrigens schon herumgesprochen, und mir wurde zugetragen, dass wir uns in dieser Sache an einen ganz bestimmten Hehler wenden sollen.»
Adelina blickte sie gespannt an. «Einen Hehler?»
Ludmilla nickte. «Sein Name lautet Michel Hornweber. Er …»
«Michel?» Adelina erstarrte.
«Hornweber?», entfuhr es Greverode. «Das ist einer der Büttel des Vogtes. Er soll ein Hehler sein?»
Wieder nickte Ludmilla. «Es scheint, als nutze er seine Stellung gelegentlich, um in Häusern betuchter Leute Gegenstände zu entwenden. Einer der anderen Büttel unterstützt ihn dabei.»
«Hugo», sagte Adelina und spürte eine Gänsehaut auf ihren Armen.
«So heißt er», bestätigte Ludmilla. «Leider können wir die beiden nicht mehr befragen.»
«Warum nicht?» Greverodes Brauen hatten sich zusammengezogen.
Ludmilla legte ihre Hände auf den Tisch und betrachtete sie eingehend. «Weil man Hugo heute früh an den Poller Köpfen gefunden hat.»
Adelina stieß einen entsetzten Laut aus. «Er ist tot?»
«Ertrunken. Und Michel ist seit vorgestern verschwunden. Entweder hat er sich davongemacht, oder er hat sein Ende ebenfalls im Rhein gefunden.»
24
«Du setzt keinen Fuß mehr vor die Tür», sagte Greverode mühsam beherrscht zu
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