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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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rief Adelina hinter ihm her. «Jupp, wir müssen versuchen, Thomasius aufzutreiben. Er weiß etwas, ganz sicher.»
    Jupp nickte und ging nun seinerseits zur Tür. «Ich versuche es noch einmal beim erzbischöflichen Palast. Irgendwo muss er ja stecken. Wenn ich ihn gefunden habe, kann er was erleben.» Er winkte Marie. «Komm, du solltest vielleicht mit deinem Vater sprechen. Auch wenn er keinen großen Einfluss mehr hat, fällt ihm vielleicht noch etwas ein, das uns weiterhelfen kann.»
    Marie erhob sich zögernd. «Kommst du allein zurecht, Adelina?»
    «Schon gut, Marie.» Adelina winkte ab. «Ich bin doch nicht allein. Die Mädchen sind hier, das Gesinde … Stache und Ludmilla ebenfalls. Ich wünschte nur, ich könnte irgendetwas tun, anstatt nutzlos hier herumzusitzen.»
    ***
    «Meisterin, darf ich reinkommen?» Mira streckte den Kopf durch die Tür zu Colins Kammer.
    Adelina saß auf dem Bett ihres Sohnes und sah ihm dabei zu, wie er mit der geschnitzten Ritterfigur über den Boden robbte und dabei fröhlich vor sich hin krähte. Zwischendurch rief er lauthals zum Angriff, jedoch waren die meisten seiner Worte wohl nur ihm selbst verständlich. Auf dem Schoß hielt Adelina ein Überkleid, an dessen Ärmelndie Spitze eingerissen war. Sie hatte sich bis eben bemüht, den Riss mit kleinen Stichen zu flicken, war aber von Colins Spiel abgelenkt worden und hob nun überrascht den Kopf. «Sicher, Mira, setz dich zu mir.»
    Mira beäugte Adelinas Flickarbeit. «Meisterin, soll ich das für Euch machen?»
    Verblüfft blickte Adelina ihr Lehrmädchen von der Seite an. «Du willst das Kleid flicken? Kannst du das denn?»
    Mira lächelte. «O ja, Meisterin. Ich habe, seit ich fünf Jahre war, fast nichts anderes tun dürfen als nähen und sticken. Das erwartet man von einer adeligen Jungfer. Mit sieben konnte ich solche Risse schon blind flicken.»
    Erheitert reichte Adelina ihr das Kleid. «Dann bitte sehr. Ich habe nicht die Geduld dafür. Das sieht man, fürchte ich, auch.»
    Mira betrachtete den Ärmel näher und begann, Adelinas Arbeit wieder aufzuzupfen. Anschließend fädelte sie einen neuen Faden in die beinerne Nadel und begann geschickt, winzige Stiche auszuführen.
    Adelina staunte. «Da bist du schon so lange bei uns, und ich wusste nicht, dass du so gut nähen kannst.» Sie schwieg einen Augenblick und musterte Mira. «Warum bist du heraufgekommen? Hast du etwas auf dem Herzen?»
    Mira hob den Blick von der Handarbeit und verzog verlegen die Lippen. «Ich weiß nicht recht, ob … Vielleicht werdet Ihr böse, wenn ich …»
    «Was ist los, Mira?»
    Das Mädchen blickte wieder auf die Nadel hinab. «Ich … na ja, ich frage mich nur …»
    «Was?»
    Mira hob den Kopf wieder. «Wie kommt es, dass Ihr Hauptmann Greverode plötzlich vertraut? Ich meine, er war immer unfreundlich zu Euch, und manchmal hat er Euch sogar ganz abscheulich behandelt. Ich hab es selbst gesehen.Jetzt sagt er einfach, er ist Euer Bruder, und Ihr verzeiht ihm das alles?» Atemlos hielt sie inne.
    Adelina dachte über die Worte des Mädchens nach, bevor sie antwortete. «Ob ich ihm verziehen habe, weiß ich gar nicht, Mira. Du hast recht, er war scheußlich zu mir. Aber nun weiß ich wenigstens, weshalb er sich so verhalten hat.» Als sie Miras fragenden Blick sah, erklärte sie: «Er war eifersüchtig auf mich.»
    Miras Augen wurden kugelrund. «Eifersüchtig?»
    Adelina nickte. «Er war es und ist es vielleicht noch immer, weil er glaubt, dass unsere Mutter mich mehr geliebt hat als ihn, verstehst du? Nach allem, was er mir erzählt hat, scheint es tatsächlich so gewesen zu sein.»
    «Eure Mutter hat sich nie um ihn gekümmert?»
    «Nie», bestätigte Adelina. «Sie hat seine Erziehung seinem Vater überlassen. Das ist etwas, was auch ich erst einmal überdenken muss. Sie war ja auch meine Mutter. Ich hätte so etwas niemals vermutet. Leider gibt es niemanden mehr, den ich danach fragen könnte.»
    «Aber …» Mira atmete heftig ein und aus. «Was, wenn er sich das alles ausgedacht hat, um …»
    «Um was, Mira?» Tadelnd schüttelte Adelina den Kopf. «Wozu sollte er sich eine so schlimme Geschichte ausdenken?»
    Mira ließ den Kopf hängen. «Ich weiß auch nicht. Mir kommt das alles nur so seltsam vor. Wie kann ein Mann wie er Euer Bruder sein?»
    Nun musste Adelina wider Willen lachen. «Kind, die Menschen sind nun mal verschieden. Wer weiß, ob er nicht ganz anders geworden wäre, wenn er unter anderen Umständen hätte

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