Frevel: Roman (German Edition)
wieder. »Und Ihr unterschätzt die Anzahl einfacher Leute im Reich, William. Unter ihnen finden sich viel mehr Anhänger Roms, als Ihr glaubt. Die Menschen vermissen die Sicherheit des alten Glaubens. Sie vermissen ihre hölzernen Heiligenfiguren und Pilgerfahrten und den Trost von Beichte, Buße und Absolution.« Er hebt einen Finger. »Bei dem alten Glauben wussten sie, woran sie waren, und das mögen diese Menschen. Besucht einmal die kleinen Städte und Dörfer im Land – niemand dort hat Erasmus oder Tyndale gelesen. Die Leute gehen in die Kirche, weil es ihnen befohlen wurde und sie sich die Strafen nicht leisten können, aber tief in ihren Herzen glauben sie immer noch an das Wunder der Messe. Sogar die Geistlichen. Und wenn sie hören, dass der Teufel eine blutige Schneise durch den Hof zieht, weil ihre Herrscherin mit Hexerei liebäugelt, werden sie dankbar für eine neue sein, glaubt es mir. Es gibt genug einfache Leute im Land, um einen Aufstand anzuzetteln, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Man muss sie nur mit den richtigen Mitteln ermutigen.«
Er klingt ob dieser Aussicht so begeistert, als hätte er dies alles selber geplant, und er hat Recht: Diese Morde am Hof können, wenn die Nachricht davon auf die richtige Weise verbreitet wird, den Verschwörern nur nützen, wenn es zu einer katholischen Invasion kommen sollte. Aber wieder stellt sich mir dieselbe Frage – wenn die Morde Teil eines katholischen Komplotts sind, warum werden sie dann so ausgeführt, dass alles auf eben dieses Komplott hindeutet? Was erhofft sich der Täter von diesem doppelten Bluff?
»Ich frage mich, ob dieser Mörder weiß, dass er unserer Sache hilft«, werfe ich zaghaft ein, ohne den Blick von der Flugschrift zu wenden. Die Neuigkeiten müssen sich wie ein Lauffeuer verbreitet haben, wenn sie kaum einen Tag nach dem Mord schon verfasst und gedruckt werden konnten. Aber andererseits waren genug Diener in Whitehall Zeugen der Ereignisse der gestrigen Nacht, und viele Leute stehen Elisabeth ablehnend genug gegenüber, um ihr Leben zu riskieren, indem sie solches Material drucken.
»Natürlich nicht.« Douglas blickt sich um. »Wir haben es lediglich mit einem Irrsinnigen zu tun, der Frauen hasst. Aber ich sage, wir können uns das zunutze machen.«
»Ein Irrer innerhalb des Hofes«, fügt Fowler hinzu und faltet die Hände. »Alle waren gestern Abend wegen des Konzerts dort versammelt.«
Douglas zuckt die Achseln.
»Der beste Zeitpunkt, um zuzuschlagen – alle waren abgelenkt«, schnüffelt er. »Aber darüber muss ich mir nicht den Kopf zerbrechen. Es liegt in unserem Interesse, dass dieses Zeug hier …«, er wedelt mit dem Pamphlet, »… ein möglichst breites Publikum erreicht. Es schürt die Angst und schmälert die Beliebtheit der Königin.« Er wuchtet sich von der Bank hoch, schlingt seinen Umhang um die Schultern, leert seinen zweiten Bierhumpen und knallt ihn auf den Tisch. »Wobei mir einfällt, dass ich noch zu tun habe. Es war mir ein Vergnügen, Gentlemen. Bis dann.« Er setzt seine formlose Wollkappe auf, berührt mit einer spöttischen Verbeugung die Krempe und verschwindet in der Menge.
»Ich nehme an, Ihr zahlt?«, fragt das Schankmädchen, das neben mir aufgetaucht ist und mir fordernd eine Hand entgegenstreckt. Erst jetzt geht mir auf, dass Douglas, der mich ja eingeladen hat, gegangen ist, ohne zu bezahlen – was ich wahrscheinlich hätte vorhersehen müssen.
Fowler lächelt mitfühlend, als ich das Geld für das Bier abzähle.
»Wie ich sehe, seid Ihr mit den Gepflogenheiten unseres Freundes Douglas noch nicht vertraut.«
Das Mädchen dreht die Münzen in der Hand und mustert mich argwöhnisch; sie fragt sich ganz offensichtlich, ob ich versuche, sie mit irgendeiner zweifelhaften ausländischen Währung zu betrügen. Nachdem sie sich vom Gegenteil überzeugt hat, zeigt sie auf die Humpen. Ich sehe Fowler an, der abwehrend eine Hand hebt.
»Nein, danke. Hier drinnen bekomme ich Kopfschmerzen. Der Himmel klart ein wenig auf, glaube ich. Wir können ein Stück gehen.«
»Ich bin nicht sicher, ob Douglas sich zu Euren Freunden zählt«, meine ich, als wir uns durch die Tür quetschen. Fowler hat Recht, der Himmel weist zwar immer noch bedrohliche graue Streifen auf, und der Wind fegt Blätter über die Straße, aber der Regen hat aufgehört. Das Pflaster ist glitschig von Pferdemist und nassem Stroh, und ich weiche dem fauligen braunen Strom, der sich in die Rinnsteine ergießt, sorgfältig
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