Frevel: Roman (German Edition)
Und soweit ich weiß, erwartet mich in Paris nichts außer der wachsenden Macht des Herzogs von Guise und seiner katholischen Anhänger, die die Inquisition sofort willkommen heißen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen. Ich frage mich, wer sie dazu angestiftet hat. Wer hat am meisten zu gewinnen, wenn ich just zu der Zeit verschwinde, wenn das Invasionskomplott Gestalt annimmt? Henry Howard? Der Herzog von Guise selbst? Wer auch immer es sein mag, er darf keinen Erfolg haben.
»Ich würde Euch nie bewusst Leid zufügen«, beginne ich. Mein Kopf pocht schmerzhaft. »Zugleich will ich jedoch auch Euren Mann nicht kränken. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Marie – Ihr wollt doch wohl nicht, dass ich Euch hier, unter seinem Dach, zu meiner Geliebten mache? Glaubt Ihr, das ließe sich bewerkstelligen, ohne dass der gesamte Haushalt erfährt, dass sein Hausgast ihm Hörner aufsetzt? Léon Dumas dürfte sich ohnehin schon Gedanken machen, warum Ihr im Morgengrauen so …« Ich deute auf ihr dünnes Gewand und erröte leicht. »So unzureichend bekleidet in meine Kammer gekommen seid. Andere Dienstboten würden sich weniger diskret verhalten. Es wäre eine unmögliche Situation.«
Ich merke sofort, dass ich das Falsche gesagt habe. Ihr Gesicht verfinstert sich, ihre Augen sprühen Funken, und ein wütender Blick trifft die Tür, als könne Dumas dahinter stehen und sich Notizen machen.
»Ihr glaubt, er würde meinem Mann etwas sagen? Oder den anderen Dienern? Was denn? Ich habe ihm einen plausiblen Grund für meinen Besuch genannt, warum sollte er also dummen Klatsch verbreiten?« Ihre Stimme ist rau vor Ärger. Ich reibe mir die Stirn. Bildet sie sich wirklich ein, die Diener würden nicht darüber tratschen, dass die Herrin des Hauses ihrem Gast im Schutz der Dunkelheit und nur spärlich bekleidet einen Besuch abstattet, während ihr alternder Mann in seinem Bett schnarcht?
»Dumas wird kein Wort darüber verlieren, er ist ein guter Mann und wird keine Gerüchte in die Welt setzen wollen.« Ich drücke aufmunternd ihren Arm. »Allein, Ihr seht, was passieren würde, wenn wir den Dienstboten Anlass zu Mutmaßungen geben. Ich bin sicher, dass Ihr Euren Mann nicht in seinem eigenen Haus entehren wollt, egal was Ihr sonst für ihn empfindet.«
Sie seufzt leise. »Michel ist ein anständiger Mensch. Und er betet mich an, daher handelt er mir zuliebe oft gegen seine eigenen Überzeugungen. Wir brauchen ihn, wenn diese Invasion Erfolg haben soll. Ihr habt Recht, Bruno, ich kann es mir nicht leisten, jetzt seine Unterstützung zu verlieren.«
Das ist nicht unbedingt das, was ich gemeint habe, aber ich sage wohlweislich nichts dazu.
»Er ist sechzig Jahre alt, Bruno er kann mir nicht der Mann sein, den ich brauche. Ihr versteht mich?« Ihre Stimme wird seidenweich; wieder verspüre ich eine sengende Hitze in der Lendengegend, und mein Hals wird trocken. »Ich wollte nur wissen, ob Ihr dasselbe empfindet wie ich«, fügt sie nahezu unhörbar hinzu.
»Ich … das müsst Ihr doch wissen«, erwidere ich, weil ich das für die einzige diplomatische Antwort halte. Wenn ich sie zu brüsk zurückweise, wird sie dafür sorgen, dass ich nach Paris zurückgeschickt werde, das hat sie mir unmissverständlich zu verstehen gegeben. »Aber Ihr habt Recht, genauso will auch ich nicht, dass die Invasionspläne scheitern, weil wir unsere selbstsüchtigen Begierden nicht eine Zeit lang unterdrücken können. Wir können auf die Unterstützung Eures Mannes nicht verzichten, deshalb dürfen wir ihn in dieser Phase nicht gegen uns aufbringen.«
Sie betrachtet mich mit aufrichtiger Überraschung, die langsam in vorsichtige Anerkennung umschlägt.
»Wisst Ihr, ich hatte mir schon Gedanken darüber gemacht, ob Ihr wirklich voll und ganz hinter dem Invasionsplan steht, Bruno. Ich gebe zu, dass einige von uns an Eurem Einsatz für die katholischen Interessen gezweifelt haben – Howard und der Earl of Arundel zum Beispiel. Claude. Sogar ich manchmal. Es freut mich, dass wir uns geirrt haben.«
Ich neige zustimmend den Kopf.
»Und was das andere betrifft …«, fährt sie mit einem leisen Lächeln fort und senkt erneut die Stimme. »Wenn Ihr wirklich meint, was Ihr gesagt habt, dann werden wir einen Weg finden. Der Herzog von Guise wird für meinen Mann keine Verwendung mehr haben, wenn Maria Stuart Königin von England ist und Guise seine Macht in Paris gefestigt hat.«
Die Sicherheit, die sie bezüglich dieses katholischen
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