Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
Vom Netzwerk:
auch meine Position von ihren Launen ab.
    Diese Gedanken und zahlreiche Abwandlungen davon beschäftigen mich bis zur Essenszeit, wo ich überrascht und ein wenig besorgt feststelle, dass Dumas nicht am Tisch sitzt. Die Mahlzeit besteht nur aus gekochtem Huhn und Gemüseeintopf, da Castelnau und seine Frau am Abend zu diesem Essen in Arundel House eingeladen sind, von dem Fowler gesprochen hat. Bislang hat noch niemand davon gesprochen, dass sich die Einladung auch auf mich erstreckt, obwohl ich darauf versessen bin, an dem Essen teilzunehmen – eine bessere Gelegenheit, Henry Howard und seinen Neffen genauer in Augenschein zu nehmen, könnte sich mir gar nicht bieten. Doch ich kann den Botschafter schwerlich in Gegenwart seiner Frau und seines Privatsekretärs bitten, mich mitzunehmen. Courcelles’ Geplauder bei Tisch lässt keinen Zweifel daran, dass er Castelnau an diesem Abend begleiten wird. Er ist fast der Einzige, der beim Essen Konversation betreibt; der Botschafter wirkt in sich gekehrt und von Sorgen geplagt und spricht nur, um etwas Geschäftliches zu bestätigen oder eine Frage zu beantworten. Marie sitzt zur Rechten ihres Mannes, blickt mich aber unter ihren Wimpern hervor unverwandt an, und zwar so eindringlich, dass ich meine Augen auf meinen Teller gerichtet halten muss, damit es nicht so aussieht, als würden wir eine Art Blickduell ausfechten. Immer wenn ich den Kopf hebe, schenkt sie mir ein verstohlenes Lächeln – eines, das Courcelles nicht entgeht und dessen finsteres Funkeln ich gleichfalls ignoriere.
    Castelnau nickt mir zu, sowie die Mahlzeit beendet ist und die Diener ihm eine Schüssel mit Wasser und ein Leinentuch bringen.
    »Kommt zu mir, wenn Ihr Euch die Hände gewaschen habt, ja, Bruno? Ich möchte mit Euch sprechen. Unter vier Augen«, fügt er mit einem Blick auf Courcelles hinzu, schiebt mit einem kratzenden Geräusch seinen Stuhl zurück und verlässt den Raum, ohne noch ein Wort an seine Frau zu richten.
    Als ich vor seinem Arbeitszimmer stehe, ist die Tür geschlossen, also klopfe ich höflich an und drehe den Knauf, da ertönt sein gebelltes » Entrez !«. Der Botschafter sitzt bereits hinter seinem Schreibtisch; er bedeutet mir, die Tür hinter mir zu schließen, mir einen Stuhl heranzuziehen und ihm gegenüber Platz zu nehmen, schließlich legt er seine Schreibfeder beiseite und dreht den Bogen Papier um, den er beschrieben hat. Mir fällt auf, dass Dumas’ Schreibtisch nicht besetzt und sein Stuhl immer noch zurückgeschoben ist – so als habe er den Raum in großer Eile verlassen.
    »Bruno.« Castelnau faltet die Hände auf dem Tisch. Der Geste haftet eine Müdigkeit an, die sich in seinem Gesicht widerspiegelt; er wirkt blass und verhärmt, und unter seinen Augen liegen dunkle Schatten. »Der Angriff auf Euch letzte Nacht bereitet mir Sorgen.«
    »Es war meine eigene Dummheit, wirklich. Aber aus Schaden wird man ja bekanntlich klug.« Ich fahre mit einem Finger über meine Stirn und lächele schuldbewusst, weil ich hoffe, dass er die Angelegenheit dann auf sich beruhen lässt; ich lege keinen Wert darauf, allzu eingehend über die Ereignisse des gestrigen Tages befragt zu werden.
    »Seid Ihr denn sicher, dass die Attacke Euch persönlich galt?« Die Furchen auf seiner Stirn vertiefen sich. »Und nicht auf uns abgezielt war, meine ich? Auf die Botschaft?«
    Ich hole tief Atem.
    »Es waren Fremde, Mylord. Eine Schar von Londoner Lehrlingen, die zu viel getrunken hatten. Sie kannten mich nicht – sie sahen nur einen Ausländer und somit eine Zielscheibe für derbe Späße. Sie nannten mich einen spanischen Hurensohn«, füge ich hinzu, um die Geschichte auszuschmücken. »Ich hätte es ihnen durchgehen lassen sollen, aber stattdessen habe ich sie meinerseits beleidigt, und da sind sie auf mich losgegangen.«
    Er misst mich mit einem langen Blick, um hernach traurig zu lächeln.
    »Diese Stadt«, seufzt er, als wäre sie für alle seine Bürden verantwortlich. »Meine Ängste lassen mich überall Feinde sehen. Ich fürchte mich davor, dass diese Kriegsvorbereitungen entdeckt werden. Es beunruhigt mich, wenn Angehörige dieser Botschaft ohne erkennbaren Grund auf der Straße angegriffen werden. Wo ist es doch gleich passiert?«
    »In einer Schänke in der Nähe von Mortlake. Ihr wisst ja, dass ich dorthin gehe, um in der Privatbibliothek von John Dee zu arbeiten, Mylord. Er sieht gern Gelehrte bei sich, und er besitzt viele Bücher, die ich sonst nirgendwo finden

Weitere Kostenlose Bücher